akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 436 / 16.03.2000

Kammerpop der Traurigkeit

Die Eels als Besprechungsobjekt der musikalischen Genüsse zu wählen, hat Härten. Kaum einer kennt sie. Vergleichen kann man sie musikalisch vielleicht und auch das ist schräg, da sie noch ruhiger und weniger folkig sind, mit dem experimentellen bzw. introvertierten Beck von dem Album "Mutations" (wer kennt den schon, außer die Musikjournalisten).

Warum versucht man eine Gruppe wie die Eels den geneigten LeserInnen nahe zu bringen? Rätselraten, Kopfkratzen. Ganz einfach, das Feld ist weit und Spreu und Weizen liegen bekanntlich dich beieinander bzw. das besondere ist immer noch interessanter als das gewöhnliche oder einfacher - die Eels kennen zu lernen, ist sicherlich kein Verlust, da sie zum erquicklicheren Bereich der aktuellen Popularmusik zu zählen sind.

Die Eels sind Mark Everett, der sich sich nur "E" nennt, an der Gitarre, fast allen anderen Instrumenten und dem Gesang. Butch Norton am Schlagzeug und auf der ersten CD Tommy Walter am Bass. Seit 1996 sind sie bei dem Dream-Works-Label von Steven Spielberg und David Geffen als, zumindest damals, Post-grunge-Band engagiert. Und damals hegte die Plattenfirma wohl noch größere Hoffnungen mit der Band, als nur von der Musikjournaille getätschelt zu werden.

"Sad lyrics and happy Music. When you put those two things together, something magical happens". Diese Aussage von "E" durchzieht zumindest bisher die gesamte Arbeit der Eels. Wenn man Everett, der zweifelsohne der bestimmende Kopf der Eels ist, hinter seinen dicken Hornbrillengläsern sieht, ahnt man, was er alles an inneren Desorientierungen - hervorgerufen durch Schicksalschläge und den Gang der Dinge an sich - aufzuarbeiten hat.

"E" hat den Vater in der Kindheit verloren, die Schwester beging nach einer langen Depressionsphase nach der ersten Veröffentlichung der Eels Selbstmord, die Mutter starb nach der zweiten CD an Krebs. Dem Mann ist zuzugestehen, das er einiges zu verarbeiten hat, dies tut er in gewisser Weise öffentlich und mit Bravour.

Auf der ersten Platte des damaligen Trios, Beautiful Freak, beginnt Edwarts seine desaströse Gefühlslage textlich und musikalisch aufzuarbeiten. Es entstand ein Album, welches musikalisch so überzeugte, das jedweder Voyerismus in Richtung des Edwartschen Seelenelends als nicht angebracht erscheinen ließ. Die Musik wirkt eklektizistisch, ist gleichzeitig aber sehr homogen bzw. ungekünstelt. Die Songstrukturen sind extrem durchkonstruiert, wirken aber nicht kalkuliert. Von Synties über Grungegitarren, Posaune und eingespielter Straßengeräusche ist Beautiful Freak mit seinen Jazz- und HipHop Elementen in erfrischender Art und Weise experimentell. Mit den Songs Novacaine for your Soul und Susans House hatten sie einen Nummer 10 bzw. 9 Hit in England. Auf der zweiten CD, Elektro Shock Blues von 1998 geht es dann richtig zur Sache. Das Cover-Inlet und die CD selbst werden von einem Grabstein geziert, der, und dieses Beispiel ist typisch für die dialektische Weltsicht von Edwarts, mit dem Sinnspruch "Everything is Changing" beschriftet ist. Die Songtitel lauten u.a. Elisabeth on the bathroom floor, My descent to Madness oder Going to your funeral. Friedhof, Beerdigung und Tod als zentrale Themen der musikalischen Ich-Verarbeitung. Elektro-shock blues ist musikalisch düster und korrelierend zu den Texten schwer verdaulich. Von Weihnachtsglocken über Free Jazz hin zu Oh du fröhliche, oh du selige... sind die 16 Stücke der CD im wesentlichen Hörarbeit.

Ganz im Gegensatz dazu das neue Werk Daisies of the Galaxie, dass trotz des Todes der Mutter von Everett, in der Form eines luftig leichten Kammerpops daherkommt. Schöne sparsame Melodien, zurückhaltend instrumentiert, aufs wesentliche beschränkt - irgendwo zwischen Beatles und frühen Pink Floyd. Offentsichtlich ist Everett jetzt in der Lage, seine ganze aufgearbeitete Seelenpein in wunderschöne musikalische Perlen umzuarbeiten. Man kann ihm nur wünschen, das, ihm das in Zukunft ohne weitere Todesfälle in seiner näheren Umgebung gelingt. Wenn nicht, was sollte ich mir wünschen - für das weitere Leben von Mark Everett?

Konzerttermine (teilweise bestuhlt): 19.3 Hamburg Markthalle, 20.3. Berlin Passionskirche, 21.3. München Babylon, 22.3. Köln Live Music Hall

Madrugada "Industrial Silence"

Stimmlich gesehen hat Sivert Hoyem, der Sänger von Madrugada aus Norwegen, keine Konkurrenz zu fürchten. Irgendwo zwischen Jim Morrison und Chris Isaak ist die beschreibbare Nähe zu definieren. Madrugada sind über Hoyem hinaus Frode Jacobsen am Bass, Robert Burass an der Gitarre und Schlagzeuger Jon Lauvland Pedersen. Alle vier stammen aus der Provinz Nordland und sind mit 23 bzw. 24 Jahren erstaunlich reif in ihrer musikalischen Anlage. Der Grundtenor ihrer Musik ist geprägt von einem eher düsteren schleppenden Rhythmus. Gitarren dominieren, allerlei Glockenspiel wird in den ruhigeren Sequenzen eingesetzt. Die Einordnung ist schwierig, Fingerzeige gibt es dennoch genügend. Zum einem ist da der Gastmusiker Bob Eagan, der mit Freakwater, Billy Bragg und Wilco zusammengearbeitet hat und auf dem Debutalbum der Gruppe Pedal- und Lapsteelgitarre beisteuert und der Produzent John Agnello (Dinosaur Jr., Mark Lenegan), der die CD in den Watermusic Studios in Hoboken, New Jersey abgemischt hat. Zum anderen blitzt bei Belladonna eine unüberhörbare musikalische Nähe zu den Doors auf.

Wenn die Jungs nicht zu früh gehypt werden, nicht zu schnell auf die Masse schielen und einigermaßen auf dem Teppich bleiben, steht einer Zukunft als Rockstars nichts entgegen.

Konzerttermine: 20.3. Berlin Knaak Klub, 21.3. Hamburg Logo, 22.3. Köln Underground 23.3. München Atomic Cafe
Na, Hand aufs Herz, hattet ihr sie nicht schon längst abgeschrieben? Vorbei, aus, die zitieren sich doch nur noch selbst. Irrtum, Pustekuchen! Still alive sind die Musiker um Justin Sullivan. Zwei Neuzugänge, Michael Dean an den Drumms und Dean White am Keyboard und so allerlei andere Musikanten hat die Band zum 20ten Geburtstag zu verzeichnen. Die Songs der neuen CD eight sind vielleicht nicht mehr so enthusiastisch, wie bei ihrem Meisterwerk The ghost of the Chaine, aber genauso intensiv und einnehmend. Die Grundstimmung ist sentimental, nicht resignativ. Es gelingt NMA in Stücken wie Paekakariki Beach und Snelmore Wood wie früher dichte und eindringliche Atmosphären zu zeichnen.

Touren tun sie, wie übrigens jedes Jahr, auch Konzerttermine: 9.3. Bremen Modernes; 10.3. Hannover Capitol, 11.3. Hamburg Große Freiheit, 12.3. Köln E-Werk,15.3. Berlin Columbia Halle, 17.3. Losheim Eisenbahnhalle, 8.3. München Colloseum, 19.3. Stuttgart LKA, 1.3. Neu-Isenburg Hugenottenhalle, 22.3. Göttingen Outpost, 1.4. Dresden Alter Schlachthof.

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