akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 442 / 28.09.2000

Asian Dub Foundation: Musik in seiner korrekten Form

Musik, Politik und Kommunikation

There is no such thing as illegal immigrants, only illegal governments
Today, the colour line/is the power line/is the poverty line

Eine Aussage mit durchaus programmatischem Charakter mit dem das Stück Coulor Line von Asian Dub Foundation (ADF) auf der aktuellen CD Community music endet. Dr Das (Bassist) und Chandrasonic (Gitarren) arbeiteten Anfang der neunziger als Musiklehrer im Stadtteilprojekt community music. Rapper Deeder Zaman war einer der Schüler von Dr Das. DJ Pandit G arbeitete als Sozialarbeiter und als DJ in einem antirassistischen Sound System. Sun-J kam 1995 zur Band und kümmert sich seitdem vor allem um das Programmieren. Dass ADF ihre aktuelle Produktion nach dem Projekt benannten, bei dem alles begann, unterstreicht, dass sie nach wie vor einen direkten Bezug zu ihrer früheren Arbeit in sozialen und antirassistischen Projekten herstellen.

Als sie 1995 ihre erste CD Produktion vorlegten, blieb diese lange Zeit ein Ladenhüter. Es war die Hochzeit des Britpops. Die Musikmischung der ADF aus Dub, einer Gitarre, die eher wie eine Sitar klingt, und gerappten Texten war offenkundig zu eckig, zu provokativ. Die frische Ungezwungenheit, die diese CD ausstrahlt, die Verbindung hochpolitischer Dichtung mit experimenteller Popmusik stieß nur bei sehr wenigen Zuhörern und Zuhörerinnen auf spontane Gegenliebe. Wenn ADF heute allerdings Rebel Warrior aus dieser CD bei Konzerten spielen, gibt es für das Publikum kein Halten mehr.

Auch ihr zweites Album, Conscious Party, brachte nicht den großen Durchbruch, obwohl sich ADF zu diesem Zeitpunkt schon mit vielen Liveauftritten auf Festivals in die Herzen des Publikums gespielt hatten.

Mit Community Music, erschienen im Frühjahr diesen Jahres, haben sie ihr Konzept von Musik weiter ausgefeilt. Das Gitarrenspiel erinnert weiterhin oft an Sitar-Klänge, Bass und Liedstruktur besitzen die Lässigkeit von Dub Musik und ab und zu ist ein Hauch von Punkattitude zu hören. Doch hat die Platte insgesamt etwas von den Kanten und Ecken verloren, die die beiden vorangegangenen Produktionen kennzeichneten und die Arrangements sind poppiger geworden.

Bei ihren Texten stehen sie allerdings immer noch eher in der Tradition der Folkmusic der fünfziger und sechziger Jahre. Das ist sicherlich auch die Brücke, die zu Gruppen wie Chumbawamba geschlagen werden kann. Während diese allerdings mit WYSIWYG relativ einfallslos daherkommen, überraschen ADF in ihren Stücken mit kleinen Leckerbissen. Die Vielfalt der Einflüsse garantiert eine abwechslungsreiche Musik, auch wenn einige Stücke wie Collective Mode zu sehr nach Ethno-Pop à la Dissidenten klingen. Schön dagegen die Anleihen bei Morricone bei in the Judgement.

Seit der Single Free Satpal Ram (1997), spätestens aber seit Conscious Party (1998) liegt ein Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit im Kampf gegen den Rassismus des britischen Repressionsapparates. Mit dem Stück Free Satpal Ram griffen sie einen konkreten Fall auf, dem sie bis heute Stimme, Töne und Sites geben.

Die konkrete Geschichte: Am 16. November 1986 hatten einige weiße Gäste in einem Restaurant eines bengalischen Besitzers in Birmingham die Bedienung mit rassistischen Sprüchen aufgefordert, die "Paki-Wog-Musik" beziehungsweise den "Black crap" abzustellen. Herr Ram, ebenfalls Gast, war mit dieser Pöbelei nicht einverstanden und wurde daraufhin von den Weißen bepöbelt. Einer von ihnen, Herr Pearce, ging mit einem Weinglas auf Herr Ram los. Dieser zog zur Verteidigung ein Taschenmesser und forderte ihn auf, von ihm abzulassen. Herr Pearce verletzte ihn an Hals und Armen, daraufhin stach Herr Ram zweimal zu. Herr Pearce starb später an den schweren Verletzungen.

Herr Ram bekam eine Anklage. Im Gerichtsverfahren verzichtete der Richter auf eine Übersetzung der Aussage des Kellners. Die Jury bestand ausschließlich aus weißen Mitgliedern und Herr Ram verließ sich auf seinen Pflichtverteidiger, der nach einem kurzen Gespräch die Verfahrenstaktik auf Unzurechnungsfähigkeit festlegte. Herr Ram, in Unkenntnis der rechtlichen Situation, willigte in diese Taktik ein, ohne sie selbst je vorgetragen zu haben. Die Freunde von Herrn Ram wurden vom Gericht als nicht glaubwürdig bezeichnet, da sie eben seine Freunde waren; die Glaubwürdigkeit der Bekannten von Herrn Pearce wurde nicht in Zweifel gezogen. Zu lebenslänglicher Haft verurteilt, sitzt Herr Satpal Ram jetzt seit 13 Jahren im Knast. Da er sich mit seinem Schicksal dort nicht abfindet und gegen die Ungerechtigkeiten protestiert, wird er ebenso häufig mit diskriminierenden Haftverschärfungen bestraft.

Es ist kein Einzelfall, dass Musikerinnen und Musiker rassistische Urteile zur Grundlage von Liedtexten machen und sich in diesen Liedern für Gefangene einsetzen. Aber ob es der Boxer Hurricane bei Bob Dylan war oder Mumia Abu Jamal bei Rage against the machine, es waren eher prominente Verurteilte und die Musiker schlossen sich einer bereits bestehenden Kampagne an. Satpal Ram kannte vor der Veröffentlichung durch ADF kaum ein Mensch und die Kampagne wird bis heute maßgeblich von ihnen getragen. Über die Mailing-List von ADF erhält mensch hauptsächlich Informationen über diese Kampagne und andere antirassistische Aktionen, vor allem zum Bereich staatliche Repressionen.

www.asiandubfoundation.com ist auch ihre politische Visitenkarte. Die links zur antirassistischen Fußballfan Kampagne, zu antirassistischen Zeitungen und zu einer Site, auf der es um "forgotten histories" geht, sind nur einige Hinweise, dass sie Verbindung suchen zu sozialen und politischen Kampagnen und Organisierungen und mit ihren Texten nicht nur kokketieren.

Ein Problem der Politik via Internet wird dabei allerdings deutlich: Zum 15. September riefen ADF und die Civil Rights Caravan zu einer Aktion vor dem House of Common in London auf. Antirassisten ließen 157 schwarze Luftballons aufsteigen. Jeder stand für einen der 157 Menschen, die in den letzten Jahren im UK durch rassistische Gewalt, Poizeiübergriffe oder durch Maßnahmen im Rahmen der Abschiebegesetzgebung getötet wurden. Zur Aktion selbst konnte nur eine Hand voll Leute mobilisiert werden. Die Kombination hervorragender politischer Popmusik und einer gut gemachten Website inklusive verlässlicher Informationspolitik via Chat und Mailingliste hat eben seine engen Grenzen und kann wirkliche Bewegung nicht ersetzen. "Was soll das, ihr alle tanzt zu Free Satpal Ram, aber wenn Arbeit ansteht, seit ihr nirgendwo zu sehen", schreibt Donna, die die Kampagne im Internet koordiniert, und unterschreibt mit: Very lonely Satpal Campaigner.

Tommy Schroedter


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