akLogo  ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 443 / 26.10.2000

Word Up!

Die CD Zigaretten Rauchen: Heimorgelmarxismus und Irritations-Drum & Bass

Lese-CDs sind im Trend. Schrecklich. Wenn man Verlagsprogramme aufschlägt, glaubt man, es gäbe nichts anderes mehr: Alexa von Stuckrad-Leberts, die aus ihren gesammelten Lebenswerken rezitieren. Schnarchiges Zeug von 17-25-jährigen für Hausfrauen, Analphabeten, BravoAllegra-Fuzzies und vertrottelte Nerds. Nur Drogen müssen vorkommen. Das ist die Hauptsache! Doch deswegen das ganze Medium zu verdammen, ist natürlich Unsinn. Genauer betrachtet ist Lese-CD nicht gleich Lese-CD, vor allem dann nicht, wenn es zwar um Worte, aber nicht um Texte geht.

Den Satz oder vielmehr Halbsatz (immerhin fehlt da ein Prädikat): "Zigaretten Rauchen - die ultimative CD des Jahres" wollte ich eigentlich schon 1999 schreiben. Die Platte, um die es hier geht, ist nämlich etwas älter, aber mir sind alle möglichen Dinge dazwischen gekommen, die jetzt nichts zur Sache tun. So gesehen ist Zigaretten Rauchen auch nicht mehr die "ultimative CD des Jahres" (was sowieso ein seltsames Urteil wäre, wenn man wie ich nicht einmal eine Stereo-Anlage besitzt und höchstens 10 CDs im Jahr hört), sondern nur eine Platte, die mir immer besser gefällt.

Zigaretten Rauchen, das bei dem Berliner Nicht-ganz-leicht-zu-verstehende-Bücher-Label b-books vertrieben wird, ist ein interessantes Projekt. Es ist eine Art Diskurs-Musik auf der Grundlage elektrischer Garagen-Sounds oder eines Heimorgelmarxismus aus der Negri-Schule mit Irritations-Drum&Bass auf Chart-Kurs. Dabei wurden bekannte Jazz-Themen gesamplet - die ich allerdings nicht erkannt habe.

So besingen (oder sollte man "besprechen" sagen?) Zigaretten Rauchen zu bekannten Musikbausteinen zentrale Fragen unserer Zeit: postfordistische Büroraumorganisierung, immaterielle Arbeit, Personalabbau, Emotionalität von Hausarbeit und Galeriegeschwätz.

"Irgendwie sitzen wir jetzt in so einer Art Kreis, und können uns im Prinzip immer beobachten. Das finde ich auch schön, weil das nicht so anonym ist, und man kann Freunde bekommen in der Firma", erklärt uns ein freundlicher Österreicher und: "Ich bin ein Monolyth und distanziert zur Ebene." Dazwischen stehen kleine Balladen gegen "die Arschlochwelt" oder vertonte Grußadressen: "Hallo kleine Häuser".

Das hört sich ein bisschen wahllos an, hat aber Programm: Diskursfragmente werden auseinander genommen und neu zusammen gesetzt, was manchmal ironisch, manchmal aufklärerisch, aber immer irritierend wirkt. Auch musikalisch verfolgen Zigaretten Rauchen ein sympathisches Konzept: In Anbetracht dessen, dass immaterielle Arbeit die Möglichkeit zur Auflösung von Besitzverhältnissen zumindest in sich trägt, haben Martin Elmer, Klaus Weber und Nicolas Siepen zusammen gesamplet, was ihnen so unter die Finger kam. Die ganze Idee erinnert an die Theaterstücke Rene Polleschs über Heidi Ho! (in einer b-books Neuerscheinung ebenfalls nachgedruckt), die auf ähnlich diffuse Weise neue Arbeitsverhältnisse - zum Beispiel Telearbeit und die Emotionalisierung der Arbeit - thematisieren: schwierige Referate, die in ihrer Form bürgerlicher Effizienz-Logik verhaftet bleiben. Die Diskurse werden durch Überdrehung zertrümmert.

Dass der Garagen-Schlager "Männer sind Penner", den Zigaretten Rauchen mit ein paar Teenie-Gören aus dem Bekanntenkreis aufgenommen haben, einige Zeit in den Charts war ("Unser Deal mit der Arschlochwelt!"), ist eine nette Rand-Anekdote, die uns wieder einmal vorführt, wie wahnsinnig ambivalent alles ist.

Raul Zelik

CD Zigaretten Rauchen, b-books, Berlin 1999, 24 DM


© a.k.i Verlag für analyse, kritik und information GmbH, Rombergstr. 10, 20255 Hamburg
ak Logo www.akweb.de   E-Mail: ak-redaktion@cl-hh.comlink.de
Weiterveröffentlichung in gedruckter oder elektronischer Form bedarf der schriftlichen Zustimmung von a.k.i.