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aus: ak - analyse & kritik Nr. 466
Readymades: Our CD is always PC

Chumbawambas neue CD ist raus
Von POPulärer Musik kann man lernen, z.B. dass der Begriff des Streiks von Seeleuten stammt, die immer dann, wenn es mit der Admiralität etwas auszufechten galt, die Segel runter ließen wurde: "Strike the sails" hieß es dann. Mit diesen und vielen anderen aufklärerischen Hinweisen tourte Chumbawamba gerade durch Deutschland und präsentierte die neue CD Readymades, auf dessen Cover das Selbstporträt von John Heartfield prangt.

Angesichts der zahlreichen politischen Aktivitäten, in denen die aus Leeds stammenden acht MusikerInnen ihre Finger drin haben, ist man - gerade in dieser Zeitung - versucht, sich vor allem damit zu befassen. Zum Beispiel damit, dass Chumbawamba aus den Erlösen für die Verwendung ihrer Songs für Werbespots GlobalisierungskritikerInnen und andere Initiativen unterstützen. Derartige Werbegeschäfte haben aber Grenzen: Als General Electric für 750.000 US-Dollar den Megahit Tubthumber für eine Röntgenmaschinenwerbung kaufen wollte, lehnte die Band ab, da GE u.a. Maschinen für Militärflugzeuge produziert und damit Beihilfe für die Bombardierungen in Afghanistan leistete.

Oder dass sie 1998 dem damaligen Vizepremier der britischen Regierung, John Prescott, im Rahmen des Brit Awards einen Kübel kaltes Wasser über die Birne gossen. Damit zeigten sie ihren Protest gegen die Labour-Regierung, die den Streik der Liverpool-Dockers nicht unterstützte, sondern den Kurs der Major-Regierung gegen die Streikenden fortsetzte.

Oder dass Chumbawamba auf ihrer Homepage aktive Informationsarbeit für diverse Kampagnen leistet: nicht nur antifaschistische Aktivitäten werden hier vernetzt die Unterstützung von Flüchtlingen und Aktionen gegen Rassismus gehören ebenso dazu wie Kampagnen für Justizopfer oder streikende ArbeiterInnen.

Oder dass die Band inzwischen nicht mehr bei den Major-Companies EMI und Universal ist, sondern das neue Album nunmehr bei dem Indy-Label Mutt Records veröffentlicht. Aber nun genug der Beispiele ...

Readymades ist in jedem Fall ein Album, das sicherlich niemand so erwartet hätte. Durchgängig sind starke Anleihen am Folk; das ganze mit House durchmischt und einem dezenten Einschlag Elektro. Dominant weiterhin der mehrstimmige Gesang. Kracher wie Enough is Enough oder Tubthumber finden sich nicht auf der CD, dafür eher ruhigere, sinnlichere Songs, die manchmal ein wenig zu rund und zu süß wirken. Häufig ist aber gerade die sweetness nur eine äußerst perfide Verpackung für die Texte. Wer sich darunter gar nichts vorstellen kann, sollte sich die Schmetterlinge in Erinnerung rufen, sich den Sound modernisierter vorstellen. Dann haut es ganz grob hin.

Die Band bleibt sich damit weitgehend treu, denn schon immer sorgte das jeweils neue Album für Irritationen. Als sie ihre erste Platte 1986 auf dem soeben gegründeten Agit-Prop-Label unter dem Titel Pictures of Starving Children sell Records veröffentlichten, galten sie als Punk-Band. Mit dem Titel der LP nahmen sie das damals unter der Leitung von Bob Geldorf initiierte Live-Aid-Festival aufs Korn. Nach dem Wahlboykott-Album Never Mind the Ballots folgte 1988 das Album English Rebel Songs, das ein reines A-Capella-Album war, das so gar nicht in das Bild von den melodiösen Anarcho-Punks passte.

Vom Anarcho-Punk zu Folk

Doch so vielseitig die musikalischen Ausflüge der Band sind, so konsequent bleiben sie inhaltlich. Nicht nur dass der antifaschistische Klassiker Bella Ciao zu den Standards bei Live-Auftritten gehört oder gegen FaschistInnen gern auch der Gun-Shot empfohlen wird. Auf dem neuen Album widmen sich die Chumbas u.a. der Ermordung von Harry Stanley. Stanley war im September 1999 in London auf dem Heimweg von Polizisten erschossen worden, nachdem ein Anrufer die Polizei informiert hatte, dass er einen Mann mit irischem Akzent (Stanley war Schotte) und einer abgesägten Schrotflinte gesehen habe. Die Schrotflinte stellte sich später als kaputtes Tischbein heraus, verpackt in einer Plastiktüte. Für die im Staatsdienst stehenden Mörder hatte das bis heute keine Konsequenzen.

Mit dem Song One Way or the other, einer Hymne an den Bradforder Quebec <%-1>St. Unemployed Club <D%0>der 20er- und 30er- Jahre, zeigt Chumbawamba, dass sich ein Blick in die Lokalgeschichte immer wieder lohnt. Statt sich mühselig mit Betteln durchs Leben zu schlagen, verlegten sich die Mitglieder des Clubs aufs Borgen und Stehlen. Wenn man so will, aktualisiert die Band ihren Appell zum Ladendiebstahl: Tubthumber.

Das alles und noch viel mehr verpacken Chumbawamba in die lieblichen Klangteppiche der Popmusik und - bei der Tour prickelnd zu erleben - schaffen damit Orte, an denen sich die Linke nicht nur unter sich versammelt, sondern es werden auch Menschen angesprochen, die vor allem über die Musik zu den Inhalten finden.

DSe, rock-links.de



Chumbawamba, Readymades, Mutt Records Ltd., August 2002,

www.chumbawamba.org