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Germ
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Discographie

"I'd like to share a revelation that I've had during my time here. It came to me when I tried to classify your species and I realized that you are not actually mammals. Every mammal on this planet instinctively develops natural equilibrium with the surrounding environment but you humans do not. You move to an area and you multiply. And multiply until every natural resources are consumed. The only way you can survive is to spread to another area. There is another organism on this planet that follows the same pattern. Do you know what it is? A virus." (Zitat aus dem Film "Matrix")

"To spread", "sich ausbreiten" wie ein Virus was in dem düsteren Science Fiction Film-Noir "Matrix" von der künstlichen Intelligenz als Grundlage herangezogen wird, der menschlichen Spezies ihre Existenzberechtigung abzusprechen, das, ja genau das ist der Motor, aus dem sich das Schaffen von OldSchooler Germ speist. Wie ein Virus (Germ: engl. Keim, Bakterie) breitet sich der heute 31-jährige Rapper aus, um die Erkenntnisse, die ihn im Laufe seines Lebens und seiner Karriere als MC geformt haben, an andere weiterzugeben.

Und auch hier eine Gemeinsamkeit zu "Matrix": Grundlegende philosophisch-metaphysische Fragen (wie z.B. die nach der Definition von Wirklichkeit) werden mit Action zu einem Gesamtpaket geschnürt, dessen Wirkung gleichsam fesselnd wie deep ist. "Mein Ansatz war es schon immer, nicht nur düster, sondern auch spannend zu sein", statet Germ. "Meine Tracks sind wie dunkle Räume, die du ausleuchten musst. Aber das erfordert Mut. Erst wenn du deine Angst vor der Dunkelheit besiegst, besiegst du auch dich selbst. Das Leben ist eben nicht immer nur Licht, Freude und Hoppsasa."

Nein. Ist es nicht. Und schon gar nicht das von Germ. 1969 als Sohn einer deutschen Mutter und eines amerikanischen G.I.s vor dem Umzug nach Frankfurt im Odenwald geboren, gestaltete sich schon sein Eintritt ins Leben als nicht gerade problemlos: Seine Mutter lag bis kurz vor der Geburt im Koma, was den ersten seelischen Einschnitt für René Swain, so sein bürgerlicher Name, markierte. Weitere sollten folgen: Vater und ein Bruder sterben bei einem Autounfall, Germ selbst wird als 7-Jähriger mit Hirnhautentzündung ins Krankenhaus eingeliefert, zusammen mit vier anderen Kindern, von denen zwei sterben und einer ins Koma fällt, mit 14 dann ein schwerer Autounfall, bei dem ihn ein Wagen mit 80 km/h vom Fahrrad holt. Nicht zu vergessen die sozialen Kämpfe: In der Schule der einzige Afrodeutsche zu sein bedeutet Ausschluss aus der Gemeinschaft. Diskriminierung als Alltagserlebnis. Germ weiß, warum er beim "Brothers Keepers" Projekt kein Zufallsgast ist. Die Hautfarbe als Angriffspunkt, was in der Kindheit Waffe für die anderen war, ist in der Jugend ein nicht unerheblicher Grund, warum Mädchen immer wieder eine Beziehung beenden.

Doch Germ ist ein Stehaufmännchen. "Wer mich immer wieder gestärkt hat", erinnert er sich heute, "war meine Mutter, die mir von meinen Vorfahren erzählt hat. Dass ich stolz auf meine Abstammung sein könne, denn in unserer Familie hätte es seit je her Krieger und Rebellen gegeben. Meine Urgroßmutter war Apachin und im Stammbaum meiner deutschen Seite finden sich Hugenotten." Germ behielt den längeren Atem. Wer immer am Rand steht, hat viel Zeit, seine Umwelt zu beobachten, sich Gedanken über Zusammenhänge zu machen. Germ gilt in der Schule als introvertiert, er interessiert sich für Planetenkonstellationen "während die anderen mit allem möglichen beschäftigt waren, nur nicht mit sich selbst."

Was ausgenutzt wird. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er seinen Mitmenschen klar macht, dass er sein eigener Herr ist, dass er sich verteidigen kann. Die Erkenntnis, Schwäche auch zugeben zu können, sich öffnen zu können, hat ihn stark gemacht. Und selbstsicher. Die Erfahrung macht früher oder später jeder: Wer in sich ruht, wer bewußt wahrnimmt und lebt, der ruht in sich. Der kann den Scheiß seiner Mitmenschen besser verdauen. Germ ist kein Mann für Small Talk, wer mit ihm "Kontakt" (so der Titel der ersten Whitelabel Teaser 12" aus dem upcoming Album "Bewusstsein") aufnimmt, muss sich auf jemanden einlassen können.

Und wer ihn battlen will, braucht starke Nerven. "Ich bin energisch und bringe meine Meinung auf den Punkt. Da gibt es kein ,vielleicht', da gibt es nur Straightness und Direktheit. Das ist für mich ,hardcore'. Ich hab nur Respekt vor einem MC, der sich vor einen anderen MC stellen und ihm sagen kann: Das hab ich gesagt in meinem Battlerap, und dazu steh ich." Es soll ja auch Leute geben, die nach einem Battle oder Diss anrufen und alles relativieren. Für Germ ist das Cowardness. In ihm pocht ein Kriegerherz. Doch er ist clever genug, nicht mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. "Wenn man mich angreift, weiche ich aus. Aber ab und zu plaziere ich auch meine Emotionen. Wie bei ,Lichtgeschwindigkeit'. Da hab ich 'ne Montur an wie diese riesigen Kampfroboter in japanischen Manga-Comics, wo auch immer die unscheinbarsten Typen sich dann als diejenigen entpuppen, die plötzlich auspacken."

Auch Germs Rap-Schule war eine harte. Der Einstieg: Sugarhill Gang gehört, Raps von MC Shan auswendig gelernt, den hardcore stuff von LL Cool J geliebt. Das war Anfang der Achtziger. Man musste als Rapper in Deutschland bei Null anfangen. Germ entwickelt langsam einen eigenen Stil, aus Fragmenten entstehen erste Texte in Englisch. "Mit 18 stand ich das erste Mal auf der Bühne und bin gnadenlos untergegangen. Man hat mich ausgebuht, mich als Möchtegern-Ami beschimpft."

1988 dann der erste Trip in die Staaten. Ein Schlüsselerlebnis: Das erste Mal die Verwandten väterlicherseits getroffen, Erfahrungen ausgetauscht, Eindrücke gesammelt. "Danach wurden auch meine Raps besser; ich hab viel Input bekommen." Texte hatte er plötzlich viele, doch HipHop-Beats waren 1990 in Deutschland noch Mangelware. Um seinen Shit dennoch an den Mann zu bringen, beteiligt sich Germ unter dem Alter Ego Zyon (anfangs noch "Zion" geschrieben) an Sven Väths Projekt Mosaic. Zwei Jahre später sollte unter dem Pseudonym "Al Rakhun" sein erstes hardcore Rap-Album folgen.

Doch 1991 zieht es Germ zunächst wieder nach New York, diesmal für längere Zeit. Sein Hunger nach Input ist noch lange nicht gestillt. Er besucht eine Toningenieur Schule, an der er auch seinen heutigen Namen erhält: Germ. Man bescheinigt ihm, dem seltsamen Typen aus GERMany, er ziehe die Leute in seinen Bann, wie ein Gedanken-Virus. Doch G.E.R.M. steht als Akronym auch noch für etwas anderes: Genetisch Erschaffenes Reinkarniertes Meisterhirn.

1993 die Rückkehr nach Deutschland. Germ findet in dem Frankfurter Produzenten Roey Marquis einen fähigen Partner, dessen Skills und Visionen sich durchsetzen werden. Das fruchtbare Ergebnis dieses Schulterschlusses: Compilationbeiträge, 12"es sowie die sieben Tracks starke EP "Spirit Of Attitude" und das Album "Day Of Resurraction", die beide auf Roeys Label Ruff-N-Raw mit dickem Major-Vertrieb von Sony erscheinen.

Doch Germ ist noch immer hungrig. 1996 kehrt er nach New York zurück. Harte Lehrjahre in Sachen Rap und Survival sollten folgen. "Ich bin von Open Mic Show zu Open Mic Show gerannt, wollte meine Angst überwinden, als Deutscher unter lauter Amis bestehen zu können." Mit dem stolzen Ergebnis, den Track "More & More" auf dem amerikanischen Label Shadow als ersten US-Release veröffentlichen zu können. Doch das Leben in New York gestaltet sich als zusehends schwerer: Germ wohnt in einem leerstehenden Haus ohne Heizung, arbeitet als Sicherheitsbeamter für lausige fünf Dollar die Stunde, wird bis aufs Hemd ausgeraubt. Dennoch hält er an seiner Musik fest und gründet mit Roey Marquis das transkontinental operierende HipHop-Label Quiet Force. 12"es erscheinen, doch dem Underground-Label fehlen die Vertriebsstrukturen eines Majors und deshalb wird das Projekt wieder eingestellt.

Doch Untätigkeit ist für Germ ein Wort, das in seinem Sprachschatz keine Verwendung findet. Zusammen mit Roey Marquis entwirft er das Konzept für ein Projekt, das all das für sie Relevante vereinen soll: die Suche nach der eigenen Wahrheit innerhalb einer verblendeten Gesellschaft, das Aufbrechen verkrusteter Denkstrukturen, Spiritualität. Ein Comic begleitet das Album, ebenso die Mitstreiter Matrix, Nicodemus, DJ Spinna und Curse, um nur einige zu nennen. "Das Album find ich immer noch die Bombe", statet Germ, "doch es war schwer zu promoten." Das Projekt zerbricht und Germ trennt sich ohne Beef von seinem langjährigen Partner Roey Marquis.

2001: Germ lebt wieder in Deutschland. Doch seiner alten Heimat Frankfurt hat er vorerst den Rücken gekehrt, Berlin Kreuzberg ist sein neues Zuhause. "Erinnert mich ein bisschen an Brooklyn", schmunzelt er. Doch die Zeiten, in denen Germ Joghurt und Käse aus dem Supermarkt klauen musste, um sich über Wasser zu halten, sind vorbei. Heute nimmt Germ Tracks mit Wu-Tang Clans Mastermind RZA für dessen "European HipHop Project" auf und bastelt an seinem neuen Album, das erste, auf dem man ihn mit deutschen Raps hören wird. Für die Produktion zeichnet Germ überwiegend selbst verantwortlich, mit tatkräftiger Unterstützung von Homie Duke; Featurings bestreitet neben seinen alten Kumpels Tone und Iz (von Konkret Finn) auch "Ur-Germ-Fan und Dampfhammer" (Zitat) MC Poise.

"Bewusstsein" (VÖ: Januar 2002) markiert ein neues Kapitel in der von vielen Ups and Downs gekennzeichneten Germ-History. A new step in the arena. A re-entry. A renewal. Was im Namen "Rene" offensichtlich schicksalshaft verankert liegt.