Hallo, es wird nicht
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Bernadette La Hengst solo
Kurz vor dem Sommer legte Bernadette La Hengst ihre erste Solo-CD vor. Die Gitarristin und Sängerin der 1999 aufgelösten Band Die Braut haut ins Auge hat darauf nicht nur diverse Ohrwürmer abgelegt, sie ist auch derart unangestrengt politisch, dass es eine Freude ist.

Bernadette La Hengst muß man in einem Atemzug mit Namen wie Blumfeld, den Sterne, Tocotronic, Fink oder den Goldenen Zitronen nennen. Nicht nur, weil auch sie aus Bad Salzuflen stammt und auf dem sagenumwobenen Cassetten-Label Fast weltweit mitwirkte. Nach dem Umzug nach Hamburg prägte sie den Stil mit, der später als "Hamburger Schule" bekannt wurde und in dem sie die feministische Stimme einbrachte: Pop zwischen Punk, Rock und Wave mit (überwiegend) deutschen Texten, die in einer überaus lässigen und coolen Art das persönliche Erleben in einer politischen Welt thematisierten. La Hengst gehört zu den KünstlerInnen, die seit Jahren linke Opposition auch dadurch unterstützen, dass sie für alle möglichen Anlässe auf die Bühne gehen. So spielt sie geradezu programmatisch für Frauengruppen und Projekte und sorgt mit ihrer eigenen Booking-Agentur BH dafür, dass verstärkt Künstlerinnen sich präsentieren können. Dass sie bei der Vorbereitung der Grenzcamps aktiv mitmischte ist für sie genauso selbstverständlich wie ihr Engagement beim Hamburger Butt-Club, den sie mit ins Leben rief und in dem Diskussionen über Globalisierung, Stadtpolitik, linke Kultur, etc. stattfinden.
Doch damit nicht genug. Als Journalistin ist sie außerdem aktiv und hat dabei natürlich ihre politische Einstellung und insbesondere den Feminismus im Gepäck. So publizierte sie Ende Mai für die WoZ Music eine Emaildiskussion, in der sie selbst mit Sandra Grether (Parole Trixi), Katrin Achinger (ehemals Kastrierte Philosophen), Melissa Logan und Alex Murray-Leslie (Chicks on Speed) über Feminismus und Selbstverständnis diskutierte.
Der Opener der neuen CD nimmt den von Christoph Schuch gemachten Film Der Traum ist aus (Die Erben der Scherben) aufs Korn. Sie habe sich über diesen Film und die Interviewten z.B. eben auch Musiker von den Sternen und Tocotronic geärgert, sagt sie. Der Film betreibe vor allem eine Historisierung der Scherben und ihrer Zeit. La Hengst kritisiert das unisono gemachte Statement fast aller sogenannter Erben, dass das, was die Scherben damals gemacht haben, zwar großartig und für sie auch sehr wichtig war, dass man aber heute so was nicht mehr machen könnte. In dem Stück Die da oben machen ja doch was wir wollen singt La Hengst: "Und wir argumentieren, und wir analysieren, doch wir werden verlieren, wenn wir uns nicht ... organisieren." Das bleibt nicht nur nach nun 30 Jahren Ton Steine Scherben und "neuer Linker" richtig. Und wie kann man besser frau das heute im Popsong mitteilen? Etwa so: "Es gibt irgendwo einen großen Topf, mit der ganzen Wahrheit drin, und wenn man sie kocht, dann steigt sie in den Himmel, und sie regnet auf uns nieder. Und sie kommt heute, sie kommt morgen, sie kommt immer immer wieder..." Refrain!

Engagement statt leeres Gelaber

Das ist sicherlich eine berechtigte Kritik an denjenigen Erben, die zwar im Habitus das kritische oder oppositionelle Element wie eine Art Parfum tragen, sich ansonsten aber weitgehend hinter dem Schutzschild KünstlerIn verstecken und Positionen vermeiden.
Während Bands und Künstler wie die Sterne oder Rocko Schamoni mit ihren letzten CDs zu Majorlabeln wechselten (beide jetzt bei Virgin) ist Bernadette La Hengst gerade den umgekehrter Weg gegangen. Ihre neue CD ist bei dem kleinen Münchener Label Trikont veröffentlicht. Der intro teilte sie zu diesem Schritt mit: "Revolution soll ja auch Spaß machen. Schaffe dir bewusst angenehme Produktionsbedingungen. Denn die beeinflussen das Produkt. Es wirkt sich aus, wenn du bei einem Major mit deiner soundsovielten Platte Beachtung finden musst. Da entsteht Druck." Und dann spricht sie von linken Netzwerken, wie wichtig die seien, um unabhängig von den Großen zu arbeiten und zu denken.
Ihre Solo-CD ist eine Aufforderung aktiv zu werden, zu bleiben, zu sein. Das macht der wunderbare Titel Der beste Augenblick in deinem Leben, ist gerade eben jetzt gewesen klar. Jörg Sundermeier hat vollkommen recht, wenn er die CD von La Hengst (und Bragg) ausführlich in der jungle world bespricht und feststellt: "Diese Musikerin und dieser Musiker behaupten nicht mehr länger, dass sie unbedingt eine politische Platte machen wollen, sie betonen das nicht lautstark in Interviews und schauen auf Pressefotos nicht kritisch in die Welt, sondern reden schlicht von dem, was sie angeht und von dem sie glauben, dass es auch andere betrifft. Ihre Platten sind frei von großen Posen." Und das fördert nicht nur die Glaubwürdigkeit.
Musikalisch ist das ganze popig-eingängig, viel Sampler, ein wenig Wave, ein wenig Liedermacherin. Zwischen den Geschichten, die La Hengst erzählt, und dem Sound ist oft eine gewisse Distanz. Am deutlichsten vielleicht in dem Stück Mit Gott im Etap Hotel sichtbar, in dem sich eine Frau einmietet und das Leben nimmt. Sie beschreibt die Szenerie fast so, als betrachte sie das Ganze per Videokamera.
Die Leichtigkeit ihrer Musik wirkt häufig ein wenig skurril zu den Texten, z.B. in der Bar Europa. Da begrüßt sie das neue Europa, das so schön und nett daherkommt, so kosmopolitisch und international und bringt dann ganz schlicht und nebenbei deutsche NS-Geschichte rein: "Und mein Vater stand bei den Zügen und sortierte mit eigener Hand." Da gibt es kein Ausruhen und Bewegung definiert Bernadette La Hengst ohnehin mit Weh tun (Wir bleiben in Bewegung).
Auch wenn La Hengst manchmal etwas melancholisch klingt, ihre Musik ist überaus lebendig. Völlig unangestrengt findet hier der Pop die Politik und sie spielen miteinander.
DSe, rock-links.de

Bernadette La Hengst, Der beste Augenblick in deinem Leben, Trikont, 2002, www.trikont.de