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Buback Tonträger


DIE GOLDENEN ZITRONEN Biographie


Es ist der Sommer jenes prophetischen Jahres 1984, das am Ende dann doch so gewesen war wie jenes zuvor und das danach, als sich die Band zusammenfindet. Schorsch Kamerun und Aldo Moro waren kurze Zeit vorher von der Ostsee, Ted Gaier aus Süddeutschland, nach Hamburg gekommen. Sie alle wohnen in der Buttstrasse am Hamburger Fischmarkt und werden bald Teil  des  damaligen Punkuniversums, das zwischen dem Krawall 2000 (einer der ersten Punkläden der BRD; sozusagen Tür an Tür zur Buttstr.) und  den besetzten Häusern an der Hafenstrasse spielt. Es ist die Zeit als Punk mit dem linken Autonomenmilieu zusammen wächst. Die Zeit von Hard-Core, Straight-Edge und vermummten Scherbendemos. Aber auch von Psycho-Billy, Psychodelic-Revival und Synthie-Pop. Die Zeit nach New-Wave.
An  Postkartenständen mitteleuropäischer Metropolen gibt Abbildungen von jungen Leuten mit Irokesenhaarschnitt zu kaufen.
Gewissermassen als "Punk innerhalb von Punk" beginnnen Moro, Kamerun und Gaier die Codes, die auf "härter, schneller, ernster" programmiert sind, zu brechen. Der ästhetischen Stagnation und Humorlosigkeit dieser Szene, setzen sie eine dilletantische Mixtur aus Schlager- und Teenie-Mythen, Rock a Billy und Glam Rock-Persiflagen, auf Punkbasis entgegen. Die hierfür verwendeten Outfits  sind die zu jener Zeit denkbar uncoolsten: Schlafanzüge, Schlaghosen, Fransenjacken, Fußballschuhe, Schottenröcke, Plastikblusen usw. Für die Brechung der ironischen Brechung sorgt die Tatsache, dass man mit Ale Sexfeind als Schlagzeuger, einem geradezu exemplarischen Vertreter jener HC-Irokesenfraktion im Hamburg der mid80er Jahre hinter dem Schlagzeug sitzen hat. Aber natürlich sind diese vier Typen zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt sich allzuviele Gedanken über derartigen Kram zu machen.
    Anderthalb Jahre lang spielen Die Goldenen Zitronen mehrmals monatlich in der Hafenstrasse, auf Schulfesten, in autonomen Jugendzentren, oder auf Privatparties in den Hamburger Vorstädten und der norddeutschen Provinz. Dann, im Winter `85 ermöglicht ein windiger Kerl aus Berlin, der Dank zwielichtiger Geschäfte über etwas Geld verfügt, die Aufnahmen zur ersten EP "Doris ist in der Gang". Von nun an geht alles sehr schnell. Das Bremer Weserlabel wird aufmerksam. Die GZ touren das Jahr 86 über alleine und im Vorprogramm der Toten Hosen. Die Toten Hosen sind zu jenem Zeitpunkt noch so etwas wie ein aufstrebender Undergroundact.
    Mit der Veröffentlichung der Single "am Tag als Thomas Anders starb" und den entsprechenden hysterischen Reaktionen seitens der BRAVO und der Bild am Sonntag, werden die Goldenen Zitronen, nachhaltiger, als sie es zu hoffen gewagt hatten, zu einer Skandalband. Die Platte wird zur erfolgreichsten deutschsprachigen Indie-Single überhaupt. Es folgen in kurzen Abständen die LP "Porsche, Genscher, Hallo HSV" (Sommer `87), die Mini (Fake-Live) LP "Das ist Rock _ live in Japan" (Anfang`88) und die LP "Kampfstern Mallorca dockt an" (Sommer `88). Noch heute scheint ihr erstes Album zur Grundausstattung halbwüchsiger Nachwuchspunks zu gehören.
Begünstigt durch den allgemeinen Fun-Punk-Boom ende der 80er Jahre, werden die GZ als das kommende Ding gehandelt. Mit zunehmender Popularität beginnt nun eine Verkettung von Mißverständnissen einzusetzen. War ein Stück wie z.B. "Ganz doll Schnaps" in einem ernsten Polit-Punk-Umfeld ein ironischer Tabubruch gewesen, so funktioniert es nun, hallenkompartibel 1:1, als sozusagen alternativer Nachwuchsbierzelt-gassenhauer. Inklusive der normiert reaktionären Rollenangebote: Gröhlende Jungs, kreischende Mädchen.
Natürlich klopfen alle grossen Plattenfirmen an, und auch die BRAVO, die händeringend nach einem Ersatz für die aufgelösten Ärzte sucht. Die Band verwirft diese Pläne aus einer eher instinktiven, als ideologischen Indiehaltung heraus und rettet damit, wie sich noch zeigen wird, ihre künstlerische Haut.       
Die Erfahrungen mit der Rockmaschine und ihren Gesetzen zwingt sie ihren Status und ihre Rezeption mitzudenken. Eine Konsequenz ist der Wechsel zum Berliner Indielabel Vielklang um dem funpunkigem Dunst des Weserlabels zu entkommen. Eine Andere, textlich und musikalisch unmissverständlicher  klarzumachen, wofür man stehen will. In diesem Sinne lässt die Anfang 1990 erscheinende LP "Fuck you" eigentlich keine Fragen offen.   Sowohl dem Titel und dem Cover, als auch den Stücken "Schmeiß es weg", "nur die Regierung stürzen" und "Hängt Joe" mangelt es nicht an eindeutigen Positionierungen. Zu sehen sind die Mitglieder der Band in Böse-Blumenkostümen, wie sie Schallplatten der grossen Majorlabels verspreisen. Doch obwohl sich die Platte über  20 000 mal verkauft, stehen in den ersten Reihen nach wie vor die selben schnautzbärtigen Idioten.
Nebenbei gibt es die ersten Umbesetzungen. Ale Sexfeind wechselt ins Büro und widmet sich komplett dem Label Buback Tonträger, das er zwei Jahre zuvor gemeinsam mit Ted Gaier gegründet hatte. Für ihn kommt es mit Enno Palluca zu einer Erweiterung der musikalischen Möglichkeiten. Außerdem erscheint Psycho1 als zusätzlicher Gitarrist. 1991 veröffentlichen die GZ die LP "Punkrock", die sie mit Wild Billy Childish in     3 Tagen in Rochester/Kent einspielen. Mit dieser Platte befreien sich die Goldenen Zitronen endgültig von der Tyrannei soundspiessiger Engineers, die jede Abweichung von produktionstechnischen Standarts zur Unmöglichkeit erklären. Ermuntert von der Childishen Arbeitsweise wird man von nun an in Eigenregie produzieren. Auch textlich gibt es wichtige Fortschritte. Durch das Hinwegsetzen über schematische Rocksongstrukturen gelingt es erstmals politisch differenzierte Aussagen zu machen. Die turbulenten Ereignisse nach dem Fall der Berliner Mauer, das rasante Wegbröckeln sicher geglaubter humanistischer Grundsätze und linker Strukturen, erfordern klare Statements. Die darauffolgende Tour im Frühjahr 1991 wird ein Fiasko. In den meisten Städten trifft man auf ein Publikum das mit FunPunk bedient werden will. Im Ostdeutschen Hoyerswerda wird man Zielscheibe mordlüsternder Nazi-Skins, in Rotterdam bricht der Tourbus zusammen.
Es erscheint angebracht neu zu überlegen. Für die nächsten drei Jahre beschränken sich die Live- Aktivitäten lediglich auf Solidaritätskonzerte, unter anderem im Rahmen der Wohfahrtsausschüsse. Als Reaktion auf die Progrome gegen Asylbewerber in Hoyerswerda initieren die GZ gemeinsam mit den Hip Hop Acts EASY BUSINESS und ERIC IQ GRAY die Maxi-Single "80 Millionen Hooligans/die Bürger von Hoyerswerda". Die Weigerung von Vielklang die Platte herauszubrigen ermöglicht die Veröffentlichung  erst im August ´92 via Sub-Up/München. Ironischer Weise ist das VÖ-Datum der Tag vor den rassistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen. Bei der zum Release anberaumten Pressekonferenz auf der PopKomm bestreitet der Grossteil der anwesenden Journalisten noch die Relevanz eines derartigen Projektes.
    Zur LP "Das bisschen Totschlag", die im Sommer `94 erscheint, folgt eine weitere Umbesetzung. Julius Block, der u.a. bei den Sternen spielt, kommt, Aldo Moro geht ins Privatleben. Mit dieser Platte stellen sich die Goldies erstmalig ausserhalb eines kategoriesierbaren Genrekontextes. In den Rezensionen ist die Rede von einer individuellen Neudefinition von Punk. Von Agitprop und brechtschem Model, von hysterischen 60`s Sounds ( scheppernde Gitarren, scheppernde Becken, schneidende Orgel) und einem Sprechgesang zwischen Hip Hop und Degenhard. Die ausgedehnten Touren Ende 94 und Anfang 95, zeigen, dass es wieder Sinn macht live zu spielen.
Im Sommer 95 verlässt Psycho1 die Band um sich dem Jazzprojekt Naked Navy zu widmen. Mit Hans Platzgumer, der gerade von New York nach Hamburg gekommen ist, bekommt die Band einen neuen Schub. Im Frühjahr 96 spielen die GZ anlässlich des US Releases der Punkrock CD, welche bei Jet Set/Big Cat erscheint, in Chicago und New York. Angeblich soll das Album in diversen Collage Radio Charts aufgetaucht sein. Alle weiteren Informationen darüber entziehen sich der Kenntnis der Band. Im Sommer 96 erscheint die Platte "Economy class". Die Rollenverteilung löst sich mittlerweile fast gänzlich auf. Das Album ist geprägt von einem Höchstmaß an spielerischer Freiheit. Viele der Songs sind weitgehend improvisiert. Wie schon die Vorgänger Alben ist auch diese Platte ein ausgesprochenes Lieblingskind der Presse.
Nach mehreren Touren durch die BRD, Schweiz und Österreich, sowie vielfältigen anderen Aktivitäten der einzelnen Bandmitglieder, erscheint im August 98 das Album "Deadschool Hamburg". Es wird  beim britischen Label Cooking Vinyl veröffentlicht. Der Schritt den individuellen, inprovisierten Ausdruck zugunsten einer gewissen Loophaftigkeit weichen zu lassen, stösst nicht auf ungeteilte Begeisterung. Auch scheint das Beharren auf der Konkretheit politischer Aussagen manchen der einstigen Pop-und-Politikpropagandisten übel aufzustossen. Die folgenden Touren zeigen jedoch ein ungebrochenes Interesse seitens des Publikums. Das Video "Weil wir einverstanden sind" wird unter anderem bei dem Filmfestival in Oberhausen prämiert.

Die Goldenen Zitronen _ Discographie
1986 "Doris ist in der Gang"  EP,  "Am Tag als Thomas Anders starb" S
1987 "Porsche, Genscher, Hallo HSV" LP
1988 "Das ist Rock _ live in Japan" MLP     "Kampfstern Mallorca dockt an" LP/CD,   "Walzer nix gut" S,  "Porsche, Genscher, HalloHSV"AntiCD                 
1990 "Fuck you" LP/CD, "Alles was ich will (Nur die Regierung stürzen) S
1991 "Punkrock" LP/CD
1992 "80 000 000 Hooligans" MS/SCD
1994 "Das bisschen Totschlag" LP/CD
1996 "Economy Class" LP/CD
1998 "Dead school Hamburg" LP/CD "Weil wir einverstanden sind" (Remixe) MS

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Buback Tonträger
Beim Grünen Jäger 26
20359 Hamburg
E-Mail: thorsten@Buback.de
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