Sie gehören zum Urgestein
des Hip Hop in Deutschland, denn seit über zehn Jahren ist
die Microphone Mafia bereits am Start. Vor wenigen Wochen haben
sie ihr drittes Album vorgelegt. Und am 8. Juni sind sie in Hamburg
dabei, wenn ak-analyse & kritik seinen dreißigsten
Geburtstag im Fundbureau und das Erscheinen des neuen Magazins
Fantômas feiern wird.
Hannes Loh behauptet in der Musikzeitschrift Intro,
dass Microphone Mafia auf der neuen CD Infernalia "erstmals
eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Geschichte
der Migration in Deutschland" vorlegt. Da ist was
dran. Die drei Kölner aus dem Arbeiterviertel
Flittard haben gerade ihre dritte CD im eigenen Label al
dente recordz fertig gemacht. Seit über
zehn Jahren rappen die Söhne von italienischen
und türkischen Eltern. Auf Infernalia ist
die persönlichen Geschichte von MM als Migranten
in Deutschland nicht zu überhören. Nicht
nur, dass sie deutsch, türkisch, italienisch,
englisch oder auch mal spanisch rappen. Auch musikalisch
greifen sie tief in den Fundus kultureller Vielfältigkeit,
die die sogenannten GastarbeiterInnen mit in dieses
Land brachten. So wird Hip Hop z.B. um türkische
Klänge erweitert, die einerseits neu und ungewohnt
klingen, die sich aber andererseits harmonisch und
wie selbstverständlich in den Sound der Microphone
Mafia einfügen. Auch vor tibetanischen Bläsereinsätzen
schrecken die Rapper nicht zurück. Neben fetten
Beats und mächtig viel Groove mixen sie so einen
Sound zusammen, der die (deutschen) Ohren immer wieder
mit Überraschungen konfrontiert. Dass HipHop
aber einfach auch was mit Party zu tun hat und daher
auch recht trivial sein kann, machen sie in Heiß wie
die Hölle klar, in dem sie ihrer Stadt -
wie es sich für anständige KölnerInnen
gehört - eine kleine Hymne widmen.
"Viel Scheiß erlebt und mitbekommen"
Der derzeit so modische Deutsch-Rap geht der MM
auf die Nerven. In einem Interview mit Level 47 bezeichnen
sie dies als Ausgrenzung: "Deutschland ist solch
ein Mix von Traditionen, Kulturen etc. Türkischer
Rap bzw. italienischer Rap wurden in Deutschland
'erfunden'", stellen Rossi, Asia und DJ Ra fest.
Klar, dass die drei Kölner Arbeiterkinder auch
mit dem Mainstream-HipHop ins Gericht gehen und sich
vom Deutsch-Rap absetzen: Mit "Deutschländerwürstchen",
die Hip-Hop aus den Villen- und Einfamilienhauskinderzimmern
betreiben und das dann mit angeblicher Street Credibility
ummanteln, hat die Mafia nichts im Sinn. "Ich will
mich selbst definieren ohne mich zu assimilieren" heißt
es in Original. Auf Infernalia - einer
hauseigenen Wortschöpfung aus Infernum und Infernale
- zeigen sie, dass man auf deutsch rappen kann, ohne
gleich in die übliche Mittelklasse-Belanglosigkeit
zu verfallen.
Während über den vermeintlich inhaltsleeren
HipHop der letzten Jahre überall geklagt wird
und die Klagenden selbst häufig auch nichts
auf die Reihe bringen, ist für die Microphone
Mafia die Message klar. Sie rappen über die
Orte und die Probleme, die sie dort vorfinden und
selbst erleben. "Verdammt, wer glaubt in Köln,
Hamburg oder Berlin zum Beispiel gäbe es keine
gettoähnlichen Verhältnisse und Lebensweise,
der sollte sich das hier mal anschauen. Wir kommen
aus solchen Ecken, wo wir auf der Straße verdammt
viel Scheiß erlebt und mitbekommen haben. Warum
nicht dann auch darüber rappen?" Die Palette
der Themen geht vom miesen Geschäft mit vermeintlichen
Benefiz-Konzerten bis zum Starkult und zur Großkotzigkeit,
der (meist zu kurzzeitigem) Ruhm aufgestiegenen Rapper,
denen die Musikindustrie mit Geld den Kopf verdreht.
Mit Blick auf die neue CD meint Asia: "Das sind
12 Jahre Erfahrungen, Erlebnisse plus eine große
Menge Respekt an unsere Familien, Freunde und die
Aktivisten im HipHop, die das ganze ehrlich meinen."
Im Zentrum der CD steht aber das, was ihre als GastarbeiterInnen
nach Deutschland gekommen Eltern sich nicht laut
zu fordern trauten. "Wir wollen keinen Dank, wir
wollen Respekt, verdammt noch mal." (Denkmal)
Es ärgert sie, wenn ihren Eltern immer wieder
vorgeworfen wird, dass sie nicht deutsch gelernt
hätten. Denn damals waren sie nichts anderes
als billige Arbeitskräfte. Sprachkurse waren
nicht angesagt. Jenseits von neumodischen Multikulti-Gefasel
verweisen sie auf soziale Zusammenhänge: " ...
vor den Fordwerken, egal ob Deutsch, Türke,
Italiener, zusammen zeigten wir Stärke ..."
Kein Wunder also, dass die Microfone Mafia sich
im Umfeld von Kanak Attac bewegt und sich an diversen
Projekten beteiligt. Nicht nur, dass sie am Kanak-Attac-Song
mitgemacht haben. Auf dem Kanak Attak - Konkret Konkrass
2002, der am 19./20. Mai in der Berliner Volksbühne
stattfinden wird, treibt sich die Mafia ebenso rum.
Dort geht es dann natürlich nicht nur um HipHop,
sondern um Fragen wie: Integration? Deutsch mich
nicht voll. Asia lächelt ein wenig schelmisch,
wenn er sich ganz einfach als Hausband von Kanak
Attac bezeichnet und immer wieder auch anmerkt, dass
er mit dem Kanak im Attac damals nicht besonders
glücklich war, da er sich so nicht definieren
würde. Doch angesichts der vielschichtigen und
spannenden Diskussionen und Projekte, die Kanak Attac
in den letzten Jahren auf den Weg gebracht hat, sei
das schon okay.
Am 8. Juni steigt im Hamburger Fundbureau die große
Geburtstagspartie von ak
- analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte
und Praxis, Zeitung für linke Debatte und
Praxis. 30 Jahre gilt es zu feiern, der Weg vom
Arbeiterkampf bis zum heutigen Titel, die Geschichte
vom Kommunistischen Bund bis zum Verein
für politische Bildung Analyse und Kritik. Über
die politischen Bewegtheiten dieses langen Zeitraumes
werden wir euch an diesem Abend allerdings verschonen.
Statt dessen setzten wir auf: Bewegung als rhythmisches
Ereignis. Neben Microphon-Mafia haben wir noch einige
Leute am Plattenteller in petto. Alles unter dem
Motto: Abtanz für 30 weitere Jahre.
DSe, rock-links.de
Anmerkungen:
Microphone Mafia, Infernalia (al
dente recordz), www.microphone-mafia.de
DIE PARTY - Dreißig Jahre
ak: mit Microphone Mafia und DJs findet am 8. Juni,
ab 20 Uhr im Fundbureau, Stresemannstr. 114 statt,
Eintritt: 5 / 8 Euro
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