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Walter Mossmann |
Der Räte-Romantiker von Wyhl |
Quelle: ak-
Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 486 /
20.8.2004 Walter Mossmann gehörte nicht nur zu den Auftretenden der legendären frühen Waldeck-Festivals (ab 1965), sondern wurde in den 1970er Jahren auch zur Stimme des AKW-Widerstands, vor allem in Wyhl, wo er einen der großen Triumphe der Anti-AKW-Bewegung - das Verhindern des Reaktorbaus - mitfeiern konnte. Seinem musikalischen Wirken hat nun der TRIKONT-Verlag eine Art Werkschau in vier CDs gewidmet und damit auch einen wichtigen Beitrag zur neueren Geschichte des linken Kulturschaffens vorgelegt. Mossmanns frühe Chansons stehen noch unter starkem Einfluss der französischen Vorbilder. Auch von Wolf Biermann, den er 1967 erstmals traf, soll er beeinflusst gewesen sein. Spätestens mit seinen Flugblattliedern ab 1974 schuf er dann allerdings jene eingreifende Kunst, die durch das Ungeheuerliche bestach, dass hier einer sang und Gitarre spielte und dabei wirklich Aufklärung und Agitation betrieb. Allerdings kein dumpfes "Hoch die - nieder mit", sondern wirklich Flugblattinhalte in Reimform und Melodie; Inhalte, die er dichter und prägnanter brachte, als die meisten FlugblattautorInnen es jemals gekonnt hatten. So war es kein Wunder, dass seine Texte dann auch wirklich auf Blätter gedruckt und verbreitet wurden oder auch schon mal eine EP auf den Markt kam, die bewusst als gesungenes Flugblatt gedacht war. Andere Songs wurden an anderen Orten situationsbezogen umgedichtet oder erhielten beständig neue Strophen, um auf neue Ereignisse eingehen zu können. Walter Mossmann sprach in diesem Zusammenhang vom "öffentlichen Gebrauchswert" seiner Lieder. Es ist daher auch nur logisch, dass heute zahlreiche seiner situations- oder aktionsbezogenen Songs nicht mehr gesungen werden können: Ihre Begründung ist entfallen, der "öffentlicher Gebrauchswert" besteht nicht mehr. Eine Art Werkschau Zensur blieb da nicht aus. Fernsehsender oder Rundfunkanstalten wollten ihn nicht spielen; und einmal wurde er sogar dafür bezahlt, dass er, obwohl eingeladen, dann doch nicht vor den geladenen Gästen aus Industrie und Gewerkschaft zum Thema Umwelt sang. Doch "Zensur macht die Zensierten bekannt", stellt Mossmann heute fest. Und: Die Zensur konnte nicht verhindern, dass Walter Mossmann zahlreiche Preise erhielt, bis hin zum Ehren-Ruth (Preis für Folk. Lied und Weltmusik) in Rudolstadt 2004. Bis ein Karzinom ihm Mitte der 1990er Jahre die Singstimme nahm, war Walter Mossmann immer wieder als Sänger in Erscheinung getreten, wurde in den 1980er Jahren ruhiger, lyrischer und auf eine gewisse Weise kraftvoller, in sich ruhender. Zur letzten Schaffensperiode als Sänger zählen auch die Cantastories, also Collagen aus Gesang, Musik, Geräuschen und Erzählungen. Eine dieser Cantastories (er benutzt noch eine anderen Begriff: Chantstory) - die in Zusammenarbeit mit Heiner Goebbels entstand - ist auf der letzten der vier CDs enthalten. "Unruhiges Requiem" befasst sich mit dem Tod des Arztes und Mossmann-Freundes Tonio Pflaum, der in Nicaragua von Contras ermordet wurde. Ein beeindruckendes Werk, das auch aufzeigt, dass Walter Mossmann nie einem rückwärts gewandten Liedermacherkult anhängte, so als sei die gezupfte Gitarre die Krönung allen kulturellen Schaffens, sondern immer für Neues offen war. So unterlegte er seinen Vortrag auch schon mal mit improvisiertem Blechgebläse. Anstößiges
nennen und Partei ergreifen
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