Namusoke

Seit September 2002 Schweizerin, Mutter und Vater aus Tansania, aufgewachsen in Zürich, frühe Kindheit in Tansania und der Ostschweiz. Inaktive Muttersprache Suaheli, zweite Sprachen Deutsch und Englisch, dritte Französisch. Berufsausbildung abgebrochen. Musikerin, Sängerin und MC, unter anderem mit The Scrucialists (Ragga, Zürich/Basel).
Es ist lärmig und eng in der Bar. Namusoke hat sich verspätet, jetzt sitzt sie auf dem Barhocker, ruhig und kontrolliert. Wenn sie lacht, scheint es in der Bar für einen Sekundenbruchteil heller zu werden. «Ich habe nie infrage gestellt, zu sein, wer ich bin», sagt sie bestimmt, «ich fühle, dass Afrika mein Zuhause ist – aber es hat einen Grund, dass ich hier bin.» Sie zitiert, mit perfektem britischem Akzent, einen Satz von George Michael: «Du weisst nicht genau, warum du tust, was du tust und wohin es dich bringt – du fühlst nur, dass du es tun musst.» «Ich kann machen, was ich will, am Schluss lande ich immer bei der Musik.» Namusoke braucht oft die Worte Spiritualität, Vibrations, Aura. Und Jah, das Rastafari-Wort für Gott.

Namusokes Vater starb, als sie ein Kind war. Ihre Mutter hat in Gospelchören gesungen. Ihr Bruder war DJ, heute betreibt er zwei Clubs in Zürich. Schon mit zwölf, dreizehn singt Namusoke in einer Reggae-Band in Zürich. Sehr bald will sie ihre eigenen

Songs machen, kauft sich einen Sampler, arbeitet ein Jahr in einem Tonstudio, übt Bass, Keyboard und Perkussion. «Ich kann keine Freundschaften schliessen ausserhalb der Musik.» Musik ist fast alles für Namusoke, neben dem Job in einer Unterhaltungsfirma und ihrem Faible für ziemlich schnelle BMWs. Sie arbeitet intensiv mit der Ragga-Band The Scrucialists zusammen, übt in Zürich und Basel, bald soll eine Maxi folgen. «Nenn es Afro-Ragga mit Souleinflüssen.»

Sie kümmert sich ums Business, kanalisiert ihre Energien – sie will nach vorne. Doch Worte wie Geld oder Erfolg machen sie nervös; sie meint verärgert: «Wenn Geld ins Spiel kommt, geht die Spiritualität verloren.» Als sie über die Brüche und Wege in ihrer Biografie redet, scheint es, als wäre die Bühne der Ort, wo sie ihre Identität in der pursten Form findet. Wo sich alles bereinigt. Sie singt englisch; deutsch zu singen, ist für sie unvorstellbar. Namusoke will ihre Muttersprache Suaheli wieder richtig lernen, Tansania wieder kennen lernen. Später. «Ich muss mir zuerst meinen Platz hier suchen.» Und: «Eine Seele kann wandern.»

Stichwort Black Culture: «Alle Blacks können singen und tanzen … so ein Scheiss!» Stichwort Missy Elliott: «Ihr Style ist einmalig. Aber weisst du, erotisch muss es für mich auch stimmen.» Sie grinst. Namusoke interessiert sich für vieles, für Kampfsportarten, für Tanz, für Schauspielerei. Sie würde gerne eine Ausbildung als Tierpflegerin machen, später. Zürich ist ihr oft zu hektisch, «ich bin nie allein, habe keine Luft, kein Grün.» Die Umweltzerstörung macht ihr Angst. Erde ist ihr Element, nicht Wasser oder Feuer. Und dein perfekter Ort zum Leben? Sie zieht an der Zigarette, blickt in die Ferne. «Hoch oben muss es sein. – Ein Stück Erde in der Höhe, wo ich die Kontrolle habe und auf das Wasser runterblicken kann.» Für einen Moment scheint Namusoke ihr Hin-und-hergerissen-Sein zu vergessen.