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taz-hamburg


Linke Romantik

Neues Glas aus alten Scherben stellen ihr neues Album "Rebellendisco" vor


Bislang galten sie als eine der besseren Cover-Bands von Ton Steine Scherben - damit dürfte jetzt Schluss sein. Denn Neues Glas aus alten Scherben legen mit ihrer gerade veröffentlichten zweiten CD überwiegend neue und eigene Songs vor. Rebellendisco heißt das Album, und Sänger Michael Kiessling definiert Titel und Anspruch der Band als "Romantische Rebellion gegen Lustfeindlichkeit und erdrückenden Alltag."

Musikalisch ist Rebellendisco prima gelungen und fest im Rock verwurzelt. Schlömers Gitarre gibt den Sound vor, Keyboarder Jörg Mischke sorgt für Volumen. Jochen Hansen am Bass und die immer wieder mal an Sambarhythmen erinnernden Drums von Funky sorgen für Druck und Erdung.

Mit dem selbst gewählten Bezug auf die Scherben hatten sich Neues Glas eine hohe Messlatte gelegt. Darf man das? Scherben neu machen? Und das als romantische Rebellion auf der Tanzfläche statt Klassenkampf auf der Straße? Stimmen diese Bilder überhaupt? Diejenigen, für die die Scherben vor allem eine musizierende Klassenkampf-Truppe waren, dürften von Rebellendisco tatsächlich enttäuscht sein. Neues Glas knüpfen an die Scherben-Songs der zweiten Phase (nach dem Umzug von Berlin ins nordfriesische Fresenhagen) an, malen persönliche Empfindungen mit Bildern - und eben nicht als Parolen.

Und vielleicht ist es ja für eine marginalisierte Linke angesichts von Kriegslagen und Globalisierung und allem anderen ganz gut, sich solchen Bildern ein wenig hinzugeben - sei's nur, um Luft zu holen.

Dirk Seifert

Freitag, 20 Uhr, Kaiserkeller (Große Freiheit 36) taz Hamburg Nr. 6577 vom 18.10.2001, Seite IV, 25 Zeilen Kommentar, Dirk Seifert, Rezension