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Rotes Haus - Allemal
Wahrschauer Nr. 41 Frühjahr/Sommer 2001


Ich sprach mit Goetz in der entspannten Umgebung unserer jeweiligen Küchen: ich in Berlin und er in Hamburg, also dort, von wo das ROTE HAUS auch seine farbigen Impulse in diese viel zu schwarzbraune Welt aussendet. Keine Propaganda, aber doch deutlich genug um nachzudenken.

Wahrschauer: Ich würde gerne wissen, wie ihr eure Herkunft, sowohl musikalisch als auch politisch, beschreiben würdet.

Goetz:
Also, wir sind ansässig in Hamburg. Die Band ist entstanden aus mir und meinem Mitstreiter Jürgen. Wir haben vorher bei den GOETZEN gespielt. Dort spielten wir eine Mischung aus Hardcore und Punk, auch schon mit deutschen Texten. Nach deren Auflösung 1996 machten wir zu zweit weiter mit der Vorstellung, mehr Gewicht auf die Texte zu legen. Wir hatten bisher immer das Problem, dass man uns nicht verstand, weil wir so laut waren. Unsere Musik sollte eine Struktur bekommen, durch die Texte klarer werden. Wir waren auch etwas angeödet von einer „gleichbleibenden Maximallautstärke“. Es sollten mehr Farben in die Musik hinein, die auch mehr in den Text greift. So entstand das ROTE HAUS.

Wahrschauer: ROTES HAUS - gutes Stichwort! Wenn man euer Booklet sieht, und alles was dazu gehört, dann kommen kaum weiter Fragen zu eurer politischen Herkunft auf. Aber ich würde es gern auch von dir hören, wo siedelt ihr euch mit den Inhalten eurer Musik politisch an?

Goetz:
Wir haben keine in dem Sinne Ideologie, also z. B. eine marxistisch-leninistische, abgesehen von der Ideologie des Widerstandes. Das unsere Gesinnung linksradikal ist, geht, glaube ich, deutlich aus unserer CD hervor. Wir bieten keine global-politischen Lösungen an. Das ist auch etwas, was man mit Musik nicht erreichen kann. Was wir tuen wollen, ist die Themen offen zu legen, und zwar auf dem Wege der Musik, die ein gutes Medium ist, über reine Sprache hinauszugehenund somit die Themen emotional zu stärken. Was Musik gut kann, ist, Kraft zu vermitteln. Aus ihr kann man Kraft beziehen, indem man sich nicht alleine fühlt mit dem, wie man die Welt betrachtet. Das soll auch der Name ROTES HAUS bedeuten: ein Ort, der Platz schafft in den Köpfen der Leute, an dem Gedanken gesagt werden können, die nach Veränderung schreien.

Wahrschauer: Den Eindruck habe ich auch, dass eure Musik eher indirekt kommt, als über platte Agitation .... .

Goetz:
Es gibt Leute, die es sehr gut beherrschen, mit deutlichen Botschaften und Forderungen, versehen mit zwei Akkorden, anzukommen. Wir dachten, das wir das dann nicht auch noch machen müssen.

Wahrschauer: Wie würdet Ihr eure musikalischen Vorbilder und Orientierungspunkte benennen?

Goetz:
Das ist eine schwierige Frage! Das was uns vorschwebt, ist, elektronische und Gitarrenmusik zu vermischen. Wir stehen auf Breakbeats und auf Bands wie ASIAN DUB FOUNDATION. Die benutzen Musik aus ihrer pakistanischen Heimat und vermischen die auch sehr schlau mit Drum and Bass und mit Rock. Die würde ich als vorbildlich benennen.

Wahrschauer: Ich komme natürlich nicht umhin, den meiner Meinung nach hervorstechendsten Titel eurer CD zu erwähnen. Er thematisiert den internationalen Befreiungskampf für Mumia Abu-Jamal, der als kritischer Journalist und politischer Aktivist seit 16 Jahren in den USA gefangen ist. Er sitzt seit längerem in der Todeszelle und kämpft von dort aus weiter. Dieser Titel ist im Verhältnis zu den anderen Titeln wohltuend deutlich und wohltuend kraftvoll. Wie kam es zu der Entscheidung, diesen Titel, der ja auch stilistisch hervorsticht, etwas abweichend zu gestalten?

Goetz:
Die Frage beantwortet sich insofern recht klar, da überwiegende Teile unserer Band, wir sind nunmehr zu fünft - in der Mumia-Kampagne tätig sind. Der Titel ist zunächst einmal entstanden als Trailer für Demos. Der Titel ist quasi eine kurze Inhaltsangabe. Wer nichts von Mumia weiß, kann sich den Titel anhören und kriegt eine Ahnung, um was es geht. Deshalb ist er auch so konkret. Mumias Fall ist zum einen sehr konkret, aber er zeigt auch ein ganzes Phänomen auf. Er zeigt ganze US-amerikanische Vorgehensweisen auf - innerhalb einer Person - und ist deshalb auch perfekt geeignet, um es an ihm genau fest zu machen.

Wahrschauer: Was sind musikalisch gesehen eure nächsten Ziele? Habt ihr aus den Erfahrungen der Produktion eurer ersten CD Entscheidungen getroffen, die sich musikalisch oder stilistisch auf eure nächsten Projekte auswirken?

Goetz:
Das ist zum einen das, was du gesagt hast. Wir wollen, was politische Themen angeht, schon konkreter werden. Unser nächstes Album wird sich sehr über den politischen Inhalt definieren. Auf dieser CD sind sehr verschiedene Dinge drauf, z.B. Texte, die ich eher als persönlich bezeichnen würde. Wir wollten mit der CD auch eher mal sehen, „auf was für einen Boden“ sie fällt, ob sie Ohren findet und wie sie ankommt. Das ist dann eher der Prüfstein, der entscheidet. Wir sind sehr erstaunt über die Menge an Reaktionen, die wir bekommen haben, darunter auch erstaunlich viel Presse. Wir haben die fünf Jahre vorher mit den Goetzen nicht annähernd so viel Presse bekommen. Wir sind schließlich eine fast unbekannte Band. Die Reaktionen waren schon eher warmherzig, was zeigt, dass so was auf fruchtbaren Boden fällt. Musikalisch kann ich so genau nicht sagen; wirhaben viel Material zusammen getragen und in einem Zeitraum von 2 - 3 Jahren sehr viel ausprobiert. Zum Teil würden wir auch einiges nicht mehr so machen.

Wahrschauer: Was ist denn eigentlich eurer nächstes Projekt?

Goetz:
Wir machen demnächst eine Tournee mit einem Comiczeichner aus New York. Sein Name ist Seth Tobocman. Er zeichnet viele Bilder von Mumia, z.B. eines wie Mumiamit dem Tod „armdrückend“ kämpft. Er hat auch einen ganzen Comic dazu gezeichnet. Er wird auf der Tournee eine Diaperformance machen und wir spielen dazu. Das wird Anfang Juni so sein.

Wahrschauer: Ja, das war es, was ich erstmal wissen wollte. Ich wünsche euch viel Glück bei euren Projekten. Wie man so schön sagt in unserer Bewegung: „Free Mumia“ und „Der Kampf geht weiter“!

Goetz:
Ja, genau!

Dann philosophierten wir noch eine Weile, z.B. über die Mischungsmöglichkeiten von Volksmusik aus der hohen Tatra und Ragga, und wenn ich nicht hätte arbeiten müssen, dann wäre das auch noch eine Weile so gegangen.

Das hat mich in meiner These bestärkt, dass nur gute Menschen auch gute Musik machen können!

D. aus B.