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Rotes Haus - Allemal
Interview mit Radio Z, yot nürnberg # 12 12/00
Als wir gerade auf der Suche nach einem weiteren idealen Act für das Radio Z-Fest waren, schneite uns im Musikarchiv die CD von ROTES HAUS herein. Ihre verbindung von Wort und Musik, die zeitgenössische Stile von Indierock über Hiphop zu D´n´B verbindet, und bis ins kleinste Detail unverkrampft politisches Bewußtsein atmet, schien uns perfekt zu diesem Anlaß. Wir fragten an, und tatsächlich: Sie sagten zu. Außerdem hatte ich die Gelegenheit mit Goetz Steeger ein ausführliches E-Mail-Interview zu führen.

evi.h: wann und wo und woraus ist das rote haus entstanden?

goetz
: Jürgen und ich kommen aus Hamburg, wir spielen seit über 10 Jahren zusammen. Unsere vorige Band, die Goetzen, ein im Laufe von mehreren Jahren von ursprünglich 5 Mitgliedern zusammengeschrumpftes Trio machte so etwas wie Gitarrentrash, auch schon mit deutschen Texten. Wir waren auf einem kleineren Berliner Label, das uns einige Zeit lang vergeblich versuchte bei irgendeinem Major unterzubringen. Mit unserer immensen Grundlautstärke kamen wir uns in unserer Rock-Tobsucht irgendwann dämlich vor, und entschlossen uns zu zweit etwas Neues zu versuchen, die Musik sollte mehr ausdrücken können, textlich wollte ich genauer werden, die Kampagnen, an denen ich beteiligt bin, (Mumia u.a.) mußten mit den Songs zu tun haben. Ende 98 haben wir angefangen aufzunehmen, mit Unterbrechungen, die wohl auch dazu führten, daß die Tracks ziemlich unterschiedlich sind.

evi.h: eure musik ist ziemlich abwechslungsreich (hier in der redaktion gabs ausrufe von "hey, die deutschen asian dub foundation" bis zu "oh, schön, klingt ein bisschen nach frühem blumfeld") - habt ihr euch das vorgenommen? wie seht ihr eure musik selbst?

goetz
:
Wir haben es sehr genossen, zunächst einfach drauflos aufzunehmen, ohne so etwas wie ein Konzept zu haben, außer unsere eigenen geschmacklichen Vorlieben. Die meisten Songs sind auch nur mit einem Beat oder einer Gitarre möglich, wir hatten aber Spaß daran zu gucken, was geht. Ich finde es eine gute Art, einem Song dadurch nahezukommen, daß man sich von den beliebigen Möglichkeiten, wie er klingen kann, für die eine, richtige entscheidet. Außerdem mag ich den Gedanken nicht, Dinge wegzulassen, weil sie den Formatrahmen sprengen, damit der User möglichst gleich weiß, in welchen Ordner er das Ganze zu stecken hat. Das ist Strategie, ich komme mir dabei zynisch vor. Unsere Linie sind vor allem die Texte, die Musik ist der Soundtrack dazu! Beide Vergleiche schmeicheln uns, ADF gehört zu meinen absoluten Lieblingsbands und Blumfelds Wortgewalt kann ich nur bewundern.

evi.h: im gegensatz zur stilbreite eurer musik, ist eure politische linie sofort klar. in eurem booklet sind zu jeder thematik, die ihr euch vornehmt, auch gleich kontaktadressen zu hilfs- und politischen organisationen. warum verbindet ihr musik und politik? le tigre sagten mal (sinngemäss) in einem interview, dass sie zwar nicht daran glauben, dass musik politische aktionen ersetzen könne, aber das sie unersetzbar für zusammenhalt und motivation einer szene sein kann. was ist euer ansatz?

goetz
:
Man sagt die Dinge oder läßt es, beides ist eine politische Äußerung. Ich glaube man hat immer eine Position, wenn man sich im öffentlichen Raum äußert, Musik ist so eine gute Möglichkeit, weil sie nicht sachlich oder theoretisch daherkommt, sondern Gefühle freisetzen kann, die Leute verbindet.Natürlich kann das keine politische Aktion ersetzen, aber sie hat die besten Mittel zur Aktion aufzurufen. Wir haben letztes Jahr hier in Hamburg ein Benefiz für Mumia organisiert -15 Bands und 2 Soundsystems, ein dermaßen buntes Gemisch( Ferris Mc, die goldenen Zitronen, Justin Sullivan,......), wir waren uns nicht sicher, ob sich die veschiedenen Szenezugehörigkeiten respektieren würden. Es war sowohl beim Publikum als auch unter den verschiedenen Bands interessant zu sehen, wie eine gemeinsame Forderung sich über den Anspruch hip oder besonders zu sein, hinweggesetzt hat. Pop und Politik- das geht!

evi.h: wie ist die gewichtung von text und musik, bzw. das zusammenspiel beider? (die bilder im booklet liessen sich da ja auch noch einbeziehen..?)

goetz
:
Unterschiedlich. Wir haben uns selbst auf der CD ein paar Ecken reserviert, um uns musikalisch auszutoben - bei "Mach 3" wurden wir ziemlich losgelöst, oder bei "Wüste", wo wir uns vom Dönerimbiß nebenan musikalischen Rat eingeholt haben. Meistens trifft das aber zu, was ich schon meinte: die Musik ist der Soundtrack zum Wort.

evi.h: als submission hold vor kurzem hier spielten, meinte stephen tardyman, er hätte ein problem mit der klassischen konzertsituation, mit derrollenverteilung und der machtsituation, die durch das bewundernd zu den künstlerInnen aufschauende publikum entstünde. siehst du das auch als problematisch? gilt es, das aufzulösen oder gehört es einfach zu rockorientierter musik?

goetz
:
Ich hätte kein bewährtes Rezept, wie das aufzulösen ist, aber ich empfinde Das ähnlich. Egal wie gut gemeint ein Megakonzert ist, du hast entweder deinen Klüngel dabei, mit dem du bestenfalls deine eigene Party daraus machst oder du stehst staunend oder verloren vor einer unwirklichen Kulisse, auch wenn da vorne "Rage against the machine" sich bemühen, dich als Teil einer Bewegung zu behandeln. Lautstärke ist Überlegenheit und Macht, in kleinerem Rahmen gibt es, glaube ich, schon Wege, die Situation zu beinflussen - ich mag es persönlich zum Beispiel nicht, wenn eine Kapelle ihre Stückekommentarlos herunterrattert, es ist immer einen Versuch wert zu den Leuten zu reden!

evi.h: zu was für musik tanzt, kocht, träumt, duscht ihr euch?

goetz: Jürgen hört für meine Begriffe ziemlich spezielles Sachen - Man Or Astroman -sowas wie Surf/ Spacetrash- oder Laika & the cosmonauts, außerdem eletronisches Zeug wie Jean Jaques Perrey und Bruce Haack. Meine drei am meist gehörtesten CD's der letzten Wochen sind der Soundtrack von "Funny bones", Stella- Finger on the trigger......, Ninos con Bombas- El Nino (alle paar Monate mal), außerdem bin ich großer Fan von Robert Wyatt.

evi.h: ich hatte leider noch keine zeit, eure homepage anzusehen, weiss aber vom info, dass ihr eine habt. für was nutzt ihr sie? glaubt ihr, dass dasinternet einer d.i.y.-szene ganz neue möglichkeiten bieten kann oder eher, dass sich dasselbe wie in anderen medien abspielt?

goetz
:
In unserer Homepage gibt es MP3 Files von tracks, die es nicht auf die CD geschafft haben, Songtexte, die Bilder aus dem Booklet zum Herunterladen, und Informationen wie jetzt gerade über Satpal Ram, ein in England lebender Pakistani, der seit 14 Jahren zu unrecht wegen Mordes im Gefängnis sitzt, weil er sich bei einer rassistischen Attacke gewehrt hat, wobei der Angreifer aus eigenem Verschulden ums Leben kam. Demnächst wird Satpal wohl eine neue Anhörung vor Gericht bekommen, die Sache ist daher gerade akut( klar kennt ihr "Free Satpal Ram" von ADF). Wir haben auch vor andere Musiker oder Schreiber, die wir kennen und mögen und die keine eigene Homepage haben, mit einzubeziehen. Die Vorteile im Netz sind klar, Informationen, die in keiner Zeitungauftauchen oder Kampa gnen, die von mehreren Kontinenten aus organisiert werden (Seattle). D.I.Y. ist eine Sache, aber wenn Jeder seine Mitteilungen immer nur in virtuelles Niemandsland eintippt, hört jede Vorstellung auf, mit wem oder was man es zu tun hat. Das ist kein gutes Grundprinzip und betrifft Jeden, User verschwinden aus dem öffentlichen Raum - gegebenenfalls zusammen mit einer gesamten Szene.

evi.h: apropos vernetzung: ihr macht keinen hehl aus eurer hausbesetzerherkunft -erzähl doch mal was dazu aus deiner geschichte! wie ist es inzwischen in hamburg? lässt sich noch von einer 'szene' oder 'community' sprechen? wo treibt ihr euch da rum und inwiefern funktionieren sachen wie gegenseitige unterstützung und information? hast du das gefühl, dass es inzwischen weniger leute gibt, die bereit sind, sich zu engagieren?

goetz: Klar standen wir den besetzten Häusern immer sehr nahe, allerdings waren weder Jürgen, noch ich aktive Hausbesetzer. Der bildlich gesprochene Infotext, der Dich auf die Frage brachte, meint: wir nehmen uns freien Zugriff zu Allem, was wir wollen, weil es Jedem gehört - in Hinsicht auf vor allem die Musik. Das heißt nicht , daß wir das nicht auch in Bezug auf Häuser meinen, ich wollte Das nur kurz richtigstellen. Die Hafenstraße hat wohl schon seit einiger Zeit mit dem Entschlüsseln von Vertragsklauseln und juristischem Hick Hack zu tun, auch die Flora soll ja mit Verträgen vereinnahmt werden, die z.B. Alles Politische an den Außenwänden verbieten, klar sollte das meiner Meinung nach Niemand unterzeichnen. Eine Räumung irgendwann ist wahrscheinlich, könnte so was wie ein Prüfstein für die Frage sein, wieviel gegenseitige Unterstützung es tatsächlich gibt. Auch wenn es im Moment nicht nach einer grossen solidarischen Community aussieht, werden die Perspektiven glaube ich wiederbesser. Die Gruppen, die für irgendein Thema arbeiten, sind zwar mittlerweile meist sehr klein, fangen aber an, sich mehr zu vernetzen. Wie wohl überall hat sich das Haargespalte über Grundsatzschwierigkeiten in den letzten Jahren zu einer Perspektivlosigkeit entwickelt. Ich glaube, das ändert sich gerade, das Sommerlochtheater in Hamburg mit den wöchentlichen Faschoaufmärschen und Dauergegendemos hat z. B. gezeigt, das eine ganze Menge gehen kann, auch wenn keine Zeit da ist, einen Konsens auszudiskutieren. Einiges hat sich verändert, es gibt viele Zirkel, die ihre Hinweise übers Netz nur an die Bekannten verbreiten, wodurch Veranstaltungen zwar gut besucht sind, aber Keiner sonst weiß etwas, was natürlich ein Vorteil sein kann, aber so kommen halt auch in der Linken so etwas wie Elitezirkel zustande. Aber das ist nicht nur typisch für Hamburg. Ich bin öfter in der B5, ein kleineres Zentrum wo verschiedene Gruppen arbeiten, in die Flora gehe ich eher zu Konzerten, was Clubbing sonst angeht bin ich absolut der Falsche - gelegentlich ins Pudels oder in die "Egal Bar".
evi.h: laut info seid ihr nur zu zweit, auf der cd kommen einige leute und instrumente mehr zum einsatz. wie setzt ihr das live um? was erwartet uns?

goetz
:
Wissen wir auch noch nicht so genau, wir haben in letzter Zeit ein paar mal zu zweit gespielt, mit digitaler Unterstützung, sind aber gerade dabei, eine 3 oder 4- Mann Besetzung zu werden, wie weit das ausgegoren ist, wenn wir bei Euch anrücken, kann ich nicht sagen, aber wir lohnen uns auch zu zweit!

evi.h: unter anderem hat auch justin sullivan bei eurem album mitgewirkt - new model army hab ich früher mal sehr geschätzt, habe sie aber in den letzten jahren erst als belanglosen mainstream eingeschätzt und sie dann auch ganz aus den augen verloren. wie kam es zu dieser zusammenarbeit und was macht herr sullivan heute so? und wer sind die anderen gäste?

goetz: String thing ist ein in Hamburg ansäßiges Streichquartett, die sehr unterschiedliche z. T. auch selbstkomponierte Musik spielen, wir haben sonst nicht wirklich miteinander zu tun, das gemeinsame Aufnehmen hat allerdings Spaß gemacht. Steff Ulrich, Schlagzeuger aus Bremen spielte mal bei den Goetzen, Gerd Büttner(Flöte, Sax) und Michael Danner (Posaune) hatten beide kurzfristig Zeit, ich kann über die beiden sonst nicht so viel sagen. Darnell Steffen Summers, der den englischen Part bei Move for Mumia spricht, ist ein guter Freund, er selbst ist in der "Stop the war Brigade", eine Organisation von u.a. ehemahligen Vietnamveteranen, die zuletzt beim Nato Einsatz im Balkan aktiv war und hat eine eigene Band, the Criminals. Darnell hat selbst eine bewegte Geschichte, er war wegen Mordes angeklagt wie Mumia, die Anklage war unhaltbar, dennoch ist er zweimal verhaftet worden, das 2. Mal von BKA Beamten im Auftrag des FBI. Darnell ist zwar frei, wurde aber nie freigesprochen! Justin Sullivan kam ins Spiel, als ich beim Aufnehmen von "An die Arbeit" zufällig "Lights go out" von NMA hörte und fand, daß es mehr als gut zusammen passte. Selbst wollte ich Das nicht singen, ich fragte im NMA Office, Justin sagte zu und kam dann während einer Tour kurz vorbei.Ich mag viele Songs von Justin Sullivan sehr, und finde, daß er sehr wahrhaftig schreibt, die Band-Arrangements, fand ich nie wichtig. Justin tourt gelegentlich mit der Dichterin Joolz und Rev Hammer, einem Folksänger, unter dem Namen "Red Sky Coven", im Januar spielen sie ein paar Gigs in Deutschland. In dem Rahmen gefiel mir Justin immer am Besten. Siri Keil, ist fester Bestandteil v on Rotes Haus, ihre Bilder auf dem CD Booklet sind ein ebenso wichtiger Bestandteil wie die Musik. Bilder und Texte haben sich gegenseitig beeinflußt, leider ist das CD Format viel zuklein, aber es gibt die Bilder auch in groß auf unserer Homepage.