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Rotes Haus - Allemal
Pressestimmen

taz Nr. 6323 15/12/00

Der Christ im Anarchisten: Das Erbe der "Scherben"
Sieg der Löffelstellung


Wir haben die Erde von den Scherben nur geerbt. Anziehend sind die Anarcho-Schlager eines Rio Reiser noch heute. So schön schwarzweiß war seine Welt, dass man sich gleich zurechtfand. "Keine Macht für Niemand" hieß das von einigen noch heute für epochal gehaltene "Ton Steine Scherben"-Album, das 1972 rauskam. Hätten Demolautsprecherwagen in den Siebzigern und Achtzigern Gebühren an die Gema abgeführt (pro hörend agitiertem Demonstranten etwa), Rio Reiser hätte sich einen schicken Lebensabend leisten können. Wenn er gewollt hätte. So zog er sich aufs Land zurück, nahm alle möglichen Sachen, um sich zu betäuben. Wer ihn aber kurz vor seinem Tod bei einem Konzert in Schwerin sah, der hatte das Gefühl, dass hier einer richtig vor die Hunde geht, der "geboren war, um frei zu sein". " ;Die Erben der Scherben" nun vollbringen das Kunststückchen, die Platte von 1972 noch einmal aufzunehmen und sie dabei gleichzeitig einigermaßen modern und völlig antiquiert klingen zu lassen. "Wir sind zwei von Millionen", trällern Daily Milk & Brutzky nett elektronisch vor sich selbst dahin. Angenehm selbstgenügsam, diese jungen Menschen. So scheint dann auch die Absurdität der Texte endlich durch, die schon in den Siebzigern differenzierter Denkenden irgendwie richtig, aber viel zu platt und eindimensional klangen. Ende der Siebziger jedenfalls haben wir schon gelacht, wenn wir auf der Demo den Bullen entgegenskandierten: "Schmeißt die Knarre weg, Polizisten!" oder kurz nach der Räumung "Das ist unser Haus!". Inspirierender und intelligenter waren Fehlfarben, zu deren "Es geht voran" wir in Bremen das CDU-Büro "entglasten". Schön an der Platte der "Erben" ist die vielleicht unbewusste Überhöhung des ursprünglichen Materials. "Schritt für Schritt ins Paradies" fördert im Anarchisten Reiser den verträumten Christen zu Tage: "der lange Weg, der vor uns liegt ins Paradies". Die romantische Seite der Scherben wird neu interpretierbar in "Komm schlaf bei mir", wo eine Anleitung zum politisch korrekten Beischlaf drin ist: "Ich bin nicht über dir, ich bin nicht unter dir. Ich bin neben dir." Die Löffelstellung als letzter Sieg der militanten Straßenkämpfer, deren größter Irrtum es war, wirklich zu glauben, sie seien nicht allein. Scherben zu erben ist nicht immer ertragreich: Trotz der 22 verschiedenen Musiker und Bands (wenn man die eingespielten Anrufbeantwortergeschichten zwischen den Songs mitzählt) wirkt "Keine Macht für Niemand" 28 Jahre später recht homogen und, bis auf wenige Ausnahmen, authentisch unavantgadistisch - die Scherben als Avantgarde zu sehen war immer ein Missverständnis. Das Revolutionäre enttarnt sich eher unfreiwillig als Attitüde. Unverkrampfter und eher auf Höhe der Zeit erscheinen "Rotes Haus". Ihr Album "Allemal" ist eine flockig groovende Abrechnung mit dem rot-grünen Schweinesystem - eigentlich komisch, dass nicht auch die taz in einem Song auftaucht. War es bei Reiser noch der Chef, der uns knebelte, ist es bei Rotes Haus die "Überflüssigkeit" der Menschen aufgrund der Arbeitslosigkeit. Schuld sind jetzt "die Eliten, die nicht teilen" wollen. Auch bei Rotes Haus (den Namen Rotes Tuch fände ich ja viel netter) will der Mensch vor allem "raus". Raus aus den Köpfen, raus aus den Zimmern, die Gefängniszellen sind, und raus aus den tatsächlichen Zellen, wo der "politische Gefangene" Mumia Abu Jamal auf die perversen US-Henker von Bush & Co. wartet. "Move For Mumia" ist ein Powersong, mit dem man gern vor den Knast zöge. Hier wird der Hass auf Unrecht zum Denkanstoß: "Freiheit, was für ein absurder Begriff". Danach ein Song, der melancholisch die hoffnungsvolle Variante des politischen Kampfes in seiner privaten Ausformung besingt. Ein ganzes Streichquartett bieten die Rothäusler auf, um ihre zärtliche Zuneigung zu einem Kind zu bezeugen: Hier ist das "Paradies" eine Kinderwelt, die noch so richtig okay ist. Gruselig kitschig dazu die Zeichnung im Booklet der CD, auf der ein Riesenbaby die kleine Erde küsst wie einen Spielball. Hoffnung schöpft der müde Kämpfer zwischen dem Windelwechsel: "Du bist der Anfang, das Ende der Schmerzen." Interessant, welche Utopien sich halten und welches Befinden sich in solchen Projekten ausdrückt. Rotes Haus haben entgegen ihrem programmatischen Namen durchaus nicht nur Wahrheiten anzubieten. Weniger verklausuliert als Bl umfeld besingen sie zur akustischen Gitarre die Verlorenheit, der man als jüngerer Mensch gern existenziell nachspürt: "Ich wünschte, du kämst um die Ecke, mit einem deiner Worte." Rotes Haus sammeln die Scherben auf, die andere liegen gelassen haben. Was sie sich da neu zusammenpuzzeln, hat nicht nur als politische Musik charmante Überzeugungskraft.
ANDREAS BECKER

OXMOX Juni 2002
Noch nie hat mich ein Song zu Tränen gerührt. Bei 27 Helferzellen ließ es sich jedoch nicht vermeiden. Erst ein dicker Kloß im Hals, Beklommenheit, die die Kehle hinaufkroch, und dann natürlich die eigene Betroffenheit, das Thema Aids bislang soweit wie möglich verdrängt zu haben. Der Hamburger Goetz Steeger hat es geschafft mit einem einzigen Song die ganze Arroganz der Wohlstandsgesellschaft gegenüber Aidskranken einzufangen: "Sie stiegen über Harry drüber als sein Herz noch schlug, in ihrem Amoklauf aus Arroganz und Hab und Gut". In diesem Zusammenhang von wunderschönen Lyrics zu schreiben scheint paradox. Aber so ist das Leben. Wer will kann unter www.roteshaus-musik.de in alle 13 Songs reinhören.

Knarf Rellöm über Rotes Haus 03/01
Das Rote Haus
Das ROTE HAUS ist eine frische Band aus Hamburg, die sich im Umfeld der "Mumia Abu-Jamal muß freigelassen werden" Bewegung gegründet hat. Im Nürnberger Radio Z wurde die Musik der Band zur Platte der Woche gewählt. Und wirklich: Die Form der Musik wird durch das politische Anliegen bestimmt. Das heißt z. B.: Ein Mumia Abu-Jamal Freund und Aktivist rappt über amerikanische Gefängnisverhältnisse und Justin Sullivan von New Model Army steuert einen englischen Refrain zu einem deutschen Text über neue Armut im Neoliberalismus bei.
Die Musik von ROTES HAUS ist jenseits von Kategorien wie: Punk, Folk, Rap oder was auch immer. Ist doch auch langweilig geworden, über so etwas zu diskutieren. Hier habt ihr eine Band, die die Trennung von Politik und Musik nicht akzeptiert. Nur logisch ihr Engagement für die Freilassung von Mumia. Sie werden zu diesem Thema auch einen Infotisch machen und, wenn es gewünscht wird, dazu sprechen.



inMusik Nr. 22 12/01

Rotes Haus - Allemal
Mal wieder nicht die richtige Cd im Geschäft gefunden? Keinen Bock auf die große Weihnachtssampler + Raritäten-Verarsche? Dann hab ich für Euch einen ganz besonderen Tipp: Rotes Haus! Das sind zwei nette Typen aus Hamburg die sich Gedanken über schemafreie Musik machen. Intelligente Texte, ein offener Schlagabtausch zwischen punkigen Attitüden ("Häusliche Pflicht"), Gitarrenakkorden, präzisem Schlagwerk und einem echten Streichquartett ("Ende der Schmerzen"). Besonders hervorzuheben sind "An die Arbeit", eine slowig-reaggaelike Bearbeitung des New Model Army Themas " Lights go out" (featuring Justin Sullivan) und das wutschnaubende "Move for Mumia", das dem wegen eines Justizirrtums unschuldig in der Todeszelle sitzenden Mumia Abu-Jamal gewidmet ist. Macht Eure Köpfe frei, reißt alle Barrikaden nieder und besucht Rotes Haus (www.roteshaus-musik.de).
Rainer Guérich


tip Berlin Nr. 25 12/2000
ROTES HAUS
- Allemal
Überzeugendendes Agitpop-Debütim Zeitalter der Nabelschau

Engagierte Lieder sind out. Zu hölzern wurde in den letzten Jahren politgerockt und doziert. Zu unverbindlich, zwanghaft ironisch und style-orientiert ("Spex" jetzt mit Modestrecke!) ist heute auch die Popkultur geworden, in der sie bestehen müssten.
Trotz alledem erscheint mit "Allemal" (Bezug über das Internet: www.roteshaus-musik.de) eine Platte, die sich über die ichbezogene Problembewältigung von Musikern und Publikum hinaus engagiert, die mit offensiver Sprache angreift und Stellung bezieht. Und besser noch: die mit einem rauhen Geflecht aus Samples, Folk, Rock, Dub, Groove , Rap und Drum`n`Bass auch musikalisch mithalten kann.
Goetz Steeger und Jürgen Sosnowski bilden das Duo Rotes Haus. Früher spielten sie bei der Hamburger Punkband Goetzen (sorry, nie gehört!), heute orientieren sie sich an Chumba wamba, New Model Army, Rage against the Machine und Public Enemy. Asylpolitik, Freiheit für Abu-Jamal, ein Leben im Einklang mit der Erde - das klingt nach linker Buchladen-Prosa, aber hier knallt es fett aus den Boxen. Auf drängelnden Breakbeat und gesampelten psychedelischen Gitarren und catchy Chören agitiert Steegers Sprechgesang fern vom Fake-Ghetto-Idiom der Berufsrapper: "Man kann nicht wissen, wie das ist, wenn man von hier im Fernseher sieht, wie die eigene Familie zwischen Häuserbrocken liegt, während hier Nazis morden in der untersten Etage, im Blutrausch der von oben vorgeschriebenen Rage." ("Häusliche Pflicht")
Harter Stoff? So ist das Leben! Aber nicht nur, weshalb im Roten Haus auch mal ein Theremin zu hören ist oder das Streichquartett einsetzt und dem Tiefgang eine klangvolle Oberfläche gibt. Manchmal ist sogar vom Verlieben die Rede ("Schwere des Raumes") und der triste Alltag wird mit schöner Poesie kommentiert: "Die Augen und Ohren der Einsamen hängen in Schüsseln von den Fenstern und nuckeln gierig am Himmel..." ("Allemal") Das könnte auch in Rock-Diskos oder After-Work-Clubs laufen. Wenn die Menschen nach der Arbeit noch etwas in ihren Kopf hinein lassen wollten. Immerhin verursachen die Lieder vom Roten Haus - anders als ein Diedrich-Diederichsen-Diskurs - keine Kopfschmerzen, sondern gehen direkt in die Beine.
Hagen Liebing

Folker Nr. 2/2001
Rotes Haus - Allemal”
(Eigenverlag) 13 Tracks, 69:27; mit Texten


Ja, diesmal gebe ich es zu: Diese Band hat mehr mit Agitpop und Hamburger Schule als mit Folk zu tun. Rotes Haus ist das Bandprojekt zweier Hamburger Hausbesetzer, die Samples, Folk, RocK, Dub, Groove, Rap und Drum´n Bass miteinander verbinden. Gerade dieser lockere Umgang des Duos mit den verschiedenen Stilen, Ihre schemfreie Interpretation, macht sie so liebenswert.

Rotes Haus bieten gitarrenlastigen Rock mit Punkanleihen („Häusliche Pflicht“), Balladen mit Streichern („Ende der Schmerzen“) und Popmusik mit wütenden Texten. Witzig ist Ihre jazzig reggae-like Interpretation des New Model Army Songs „Lights go out“, für die sie Justin Sullivan selbst gewinnen konnten. Besonder gelungen ist daneben „Move for Mumia“, ein Song für den in der Todeszelle sitzenden Mumia Abu - Jamal. Dieser Song tobt vor Wut und ist doch fern jeglicher platter Punk-Klischees. Vor allem textlich beeindrucken Goetz Steeger und Jürgen A. Sosnowski, abgesehen von kleineren Ausrutschern in den Balladen, immer wieder. Witzig, peppig und teilweise sehr verbittert.

Eine sehr hübsche Scheibe, die zeigt, daß es zwischen den Musikstilen immer wieder nette Mischungen gibt, die nicht immer gleich abgedroschen wirken müssen. Eine Scheibe, die auch zeigt, daß politische Musik ohne Antifa-Rhetorik und Rotz-Punk noch machbar ist.
Claudia Frenzel

Fuldaer Zeitung 23/12/00 Magazin, die aktuelle CD:
Allemal zwiespältig
Etwas Punk zum Fest gefällig? Oder besser nicht zum Fest, denn was Rotes Haus mit Allemal(Jump up records) bietet, ist starker Polit-Tobak. Die Produzenten des Samplers, die sich mit der Hausbesetzerszene verbunden fühlen, liefern Autonomen- Ideologie vom Feinsten. Gewettert wird gegen die Obrigkeit als Solche, gegen Ungerechtigkeit und Intoleranz, aber auch eben gegen Arbeit. Aber es gibt auch Texte voll Zärtlichkeit, voll Trauer und Liebe. Lieder von den guten und schlechten Seiten des Lebens, gesungen von Leuten, die anscheinend von den Letzteren mehr kennengelernt haben. Wie man sieht ein zwiespältiges Album. Ein weniger zwiespaltiges Gefühl als die Lyrik hinterläßt die Musik vom Roten Haus. Wer die Boxhamsters aus Gießen mag, dem werden auch die Hamburger liegen. Ihre Melodien sind griffig, handgemacht und nicht immer so hart, wie man zu B eginn des Albums glaubt. Weltmusikalische Einflüsse- Reggae und Orientalisches- geben dem Album Farbe, jenseits des etwas grauen Punk. "Das Ende der Schmerzen" ist ein wunderbarer Track, sentimental und zweideutig. So gewinnt "Allemal" mit zunehmender Dauer an Fahrt. Es muß einem nicht alles gefallen, was man hier hört, aber es lohnt sich zuzuhören.
bg

Szene Hamburg Januar 2001
Der Kapitalismus im Allgemeinen und zum Beispiel die Todesstrafe im Besonderen: wer noch alle Sinne beisammen hat, weiß, daß diese Welt nicht die Beste aller Möglichen ist, und er weiß erst recht, daß Mumia Abu-Jamal aus dem Gefängnis muß. Nun gehören solche Einsichten nicht zum Massenbewußtsein - fraglich allerdings, ob dies in Dummheit oder Unwissen gründet oder ob nur Aufklärung und Information fehlen. Dies scheint bisweilen die Strategie des Hamburger Duos Rotes Haus zu sein. Sie definieren emanzipatorische Kunst im Wesentlichen als Angelegenheit der Parolen, als wäre so wenigstens die Einheit der Restlinken zu bewahren. Kein Zweifel über die politischen Inhalte. Doch Pop und Politik bleibt das Problem der Vermittlung, dem Goetz Steeger und Jürgen A. Sosnowski oft ausweichen: das durchaus vielfältige Material- Punkriffs, Elektronik, Streicher(eingespielt von String thing!) - verweist häufig klischeehaft auf Inhalte, oft aber auch gar nicht. Bessere Stücke bezeugen ihre Nähe zu Rage Against The Machine. Doch scheinen Rotes Haus überzeugt zu sein, daß selbst Rammstein und Oli P. beerbt werden können: gerade in Gesangsphrasierungen wird das nahegelegt. Wo die Musik allerdings im Politischen privat wird, gelingt Rotes Haus die Vermittlung von Inhalt und Form, etwa in "27 Helferzellen", einem Song über den HIV-infizierten Timo, der im September im 1999 im Schanzenviertel starb. Politisch notwendig, musikalisch problematisch
Roger Behrens

Junge Welt März 02
Irgendwie gut
.............. Am Freitag wurde dann mit »Rotes Haus« aus Hamburg eine Band präsentiert, die uns von den Veranstaltern als die »jungen Wilden« der Bewegung verkauft werden sollten. Was geboten wurde, war allerdings politische Musik, wie sie am langweiligsten ist: Pathetisch-klischeehaftes Parolengedresche irgendwo zwischen schlechten Ton-Steine-Scherben-Kopien, Rage against the Machine und Herbert Grönemeyer. Schwer auf wütend machende Männer- und Fauenstimmen zu schwülstigen Gitarrenriffs. Puhh...........
Arian Wendel