RECHTSROCK

550 Seiten gegen den Sound des Hasses - Buchbesprechung
RechtsRock - Bestandsaufnahme und Gegenstrategie erscheint im November 2002
Dieser Artikel erscheint in: ak-analyse&kritik Nr.468, Dezember 2002

Als eines der wichtigsten Instrumente zur Rekrutierung rechtsradikaler und neofaschistischer Sympathisanten ist vor allem seit Ende der 80er Jahre in der Folge der deutschen Wiedervereinigung der RechtsRock anzusehen. Im Zentrum steht dabei auch heute noch eine Skinhead-Szene, in deren Umfeld zahlreiche Bands entstanden sind. An Deutlichkeit lassen deren Texte keinen Zweifel: Gewaltverherrlichend, zutiefst rassistisch und sexistisch, antisemitisch ... In vielen - vor allem ländlichen - Regionen haben NeoNazis und Skins mit ihren musikalischen Aktivitäten durchaus so etwas wie eine kulturelle Hegemonie erreicht. Ein ausgefeiltes und überaus aktives Netz von Plattenfirmen, Vertrieben, Skinzines, Internetseiten unterstützt diese Bemühungen. Zahlreiche Klamottenläden sorgen dafür, dass eine Verbundenheit auch modisch erkennbar wird.

Auf fast 550 Seiten widmen sich Christian Dornbusch von der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf und Jan Raabe vom Verein Argumente und Kultur gegen Rechts aus Bielefeld als Herausgeber dem RechtsRock. Dabei geht es nicht nur um eine Bestandsaufnahme, sondern explizit werden auch Gegenstrategien vorgestellt und diskutiert. Und außerdem liefert das Buch in einer Art Lexikon ein umfassendes Verzeichnis von RechtsRock-Bands und davon nicht zu trennenden deutschsprachigen Fanzines. Allein dieses Verzeichnis - in denen mehrere hundert Bands und Zines erfasst sind - lässt ahnen, wie tief der RechtsRock bis heute in einer jugendkulturellen Szene verbreitet und verankert ist.

Die Recherchen im Bereich Bestandsaufnahme bewegen sich allesamt auf hohem Niveau und inhaltlich decken die AutorInnen eine breite Palette von Fragestellungen ab. Umfang und Kompetenz der AutorInnen machen das in der Reihe antifaschistischer Texte beim Unrast-Verlag erschienene Buch zu einen unverzichtbaren Standardwerk.

Die Entwicklung und Herausbildung des RechtsRock über den Zeitraum der letzten 20 Jahre werden von den Herausgebern detailliert dargestellt. In seinem Beitrag unter dem Titel Deutschland im September zeichnet Michael Weiss zahlreiche Aktivitäten im Zusammenhang mit RechtsRock-Konzerten nach. Dazu nimmt er sich den September 1999 vor und berichtet fast tagesweise über Konzerte und damit verbundene Naziaufmärsche, die kreuz und quer in der Bundesrepublik stattgefunden haben (und stattfinden). Dabei stellt er immer auch wieder Zusammenhänge zwischen derartigen Konzerten bzw. dem Konsum von RechtsRock-Bands und im Anschluß stattgefunden Überfällen von Skins und Neonazis heraus. Z.B. wenn er berichtet, dass die drei Angeklagten im sogenannten Guben-Prozeß kurz bevor sie drei Flüchtlinge per Auto durch die Nacht jagten, die CD Republik der Strolche von der inzwischen verbotenen Nazi-Band Landser (die sich selbst gern als Braune Musik Fraktion bezeichnete) gehört und sich richtig in Stimmung gebracht hatten. Einer der Flüchtlinge bezahlte das mit seinem Leben.

Immer wieder verweisen die Autoren auf die Bedeutung des RechtsRock für das anwachsen rechtsradikaler Gruppen und Organisationen, vor allem unter Jugendlichen. Dabei wird der „Sound des Hasses“ durchaus strategisch eingesetzt, um über die Musik leichteren Zugang zu Jugendlichen zu finden und diese dann mit rechtsradikalen und neofaschistischen Positionen ansprechbar zu machen. Zeitungen, wie die Nation Europa widmeten dieser politischen Ausrichtung der organisierten Rechten schon Ende der 80er Jahre ganze Ausgaben. Zahlreich sind die personellen Verflechtungen zwischen Kadern rechter Organisationen und der Skin- bzw. RechtsRock-Szene. Von zentraler Bedeutung war das in England gegründete und später in Deutschland äußerst aktive Netzwerk Blood and Honour, dass direkt aus der Skinszene entstand. „Es ist eine politisch militante Organisation, die sich kulturell definiert und deshalb im Spektrum der Jugendkultur starke Authentizität hat. So ist es Blood and Honour möglich, sein Umfeld beständig zu ideologisieren und schrittweise an die militanten politischen Strukturen heranzuführen.“ (S. 77) Damit stellte dieses Netzwerk eine Art Scharnier zwischen anpolitisierten und meist unorganisierten RechtsRock-Fans und Organisationen wie der NPD oder den Freien Nationalisten dar. Ein Großteil der RechtsRock-Aktivitäten lief bis zum Verbot im September 2000 über dieses Netzwerk.

Unterstützt wird diese Strategie in vielen Regionen durch weitgehend fehlende alternative kulturelle Angebote, so dass RechtsRock-Konzerte in vielen kleineren Städten als einzige Unterbrechung eines grauen Alltages wahr- und angenommen werden. Immer wieder machen die AutorInnen dabei auch klar, dass die Akzeptanz unter Jugendlichen ohne den Rassismus und den Nationalismus aus der Mitte der Gesellschaft kaum denkbar wäre. Nicht zufällig fällt das starke Anwachsen der Nazi-Sympathisanten, eine sprunghafte Neugründung von RechtsRock-Bands und Ereignisse wie Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen oder Solingen in die Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung. Die aus der Mitte geführte Debatte um „Asylbetrug“ und der zunehmende Nationalismus der Mitte liefern sozusagen die Steilvorlage für die Aktivitäten im Umfeld von RechtsRock und Neonazis.

Ein Drittel Nazifrauen

Ein ganzes Kapitel widmen die Herausgeber auch den Frauen und Frauenbildern in der RechtsRock-Szene. Kirsten Döhring und Renate Feldmann stellen erstmal fest, dass immerhin ein Drittel der RechtsRock-Szene Frauen sind. Eine Tatsache, die bis heute immer noch weitgehend nicht wahrgenommen wird und sicherlich auch darin begründet ist, dass das in der Öffentlichkeit verbreitete Bild von den Skins und Neonazis immer noch mit dem eines voll getrunkenen, glatzköpfigen und gröllenden Schlägers mit Bomberjacke, Fliegerstiefeln und Baseballschläger ist. Tatsächlich sind Frauen nur zu fünf Prozent an rechtsextremistischen Straftaten beteiligt.

Die beiden Autorinnen weisen darauf hin, dass sich innerhalb der extremen Rechten seit einiger Zeit vermehrt Frauen in eigenständigen Frauengruppen und - organisationen zusammenschließen. In der Skinszene hat sich z.B. der Skingirl Freundeskreis Deutschland herausgebildet und selbst in der NPD sind Frauenstammtische auf dem Vormarsch.

Im Musikbereich stellen die Frauen aber - wie in den vielen anderen Bereichen des RechtsRock (Label, Fanzines, Konzertorganisatoren etc.) - eine noch absolute Minderheit da. Lediglich vier Frauenbands haben die Autorinnen seit Anfang der 90er Jahre ermitteln können, deren Selbstverständnis in der Skinszene sie ausführlich und mit Zitaten darstellen. Auch wenn die Texte dieser Frauenbands weniger Blutrünstig daher kommen, stellen die Autorinnen fest: Extrem rechte Musikerinnen malen in ihren Texten ein Bild von „selbstbewussten, für nationalsozialistische Ideale kämpfenden Frauen“ (S.198) und stehen damit ihren männlichen Kameraden in der Verbreitung rassistischer und nationalsozialistischer Ideologien in nichts nach. Das wird auch deutlich, wenn von Frauen gemachte Fanzines vorgestellt werden,

In weiteren Kapiteln werden die Präsens und Vertriebswege für den RechtsRock im Internet untersucht und dargestellt. Ausführlich werden die internationalen Strukturen der RechtsRock-Szene behandelt und über die Situation in zahlreichen Ländern berichtet. Ein weiterer Beitrag befasst sich mit der politisch-soziologischen Einordnung der Skinheads und des RechtsRock entlang der Begriffe Szene, Stil, Subkultur oder Bewegung. Kenntnisreich befasst Liane M. Dubowy mit den zahlreichen Fanzines, stellt diese vor und betrachtet dabei insbesondere das Verhältnis dieser meist über Freundeskreise und rechten Platten- und Klamottenläden vertriebenen Zeitungen zwischen Subkultur und Politik.

Johannes Lohmann (Mitherausgeber von Fear of a Kanak Planet) und Hans Wanders gehen in ihrem Aufsatz auf die Entwicklung extrem rechter Ideologien in der Dark-Wave und Black-Metal-Szene ein, stellen wichtige Bands und Texte dieser Genres vor und skizzieren die Labels und Strukturen der Szene. (Empfehlenswert dazu auch das von Andreas Speit herausgegebene Buch: Ästhetische Mobilmachung, Dark-Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien) In diesen Musikszenen sind die Verbindungen zwischen rechten Ideologien und organisierter extremer Rechter kaum ausgeprägt. Während für die Skinszene Gewalt integraler Bestandteil ist, lehnen vor allem die Dark Waver physische Gewalt komplett ab. Kriegs- und Heldenverehrungen, Ästhetisierung von Gewalt, Mythen von Helden und Eliten und ein ausgeprägter Antimodernismus in Verbindung mit starken Bezügen zum Heidentum und zum Germanischen prägen diese Stilrichtungen und ihre Fangemeinden. Die Autoren sind zwar der Meinung, dass Dark Waver Rassismus und Antisemitismus nicht offen propagieren, aber angesichts der Verquickung mit rechten Ideologien fordern sie eine intensive szeneinterne Auseinandersetzung.

Für eine nicht-rechte Jugendkultur

In ihrem Aufsatz RechtsRock vor Ort vergleicht Heike Kleffner die Entwicklung und Strukturen in zwei unterschiedlich geprägten Regionen. Zum einen zeigt sie die Entwicklung der RechtsRock-Szene in dem ländlich geprägten Klein Bünzow, nördlich von Berlin gelegen in der Nähe von Anklam und Prenzlau. Die andere Region ist der Landkreis Lüneburg, in dessen Mitte die stark bürgerlich geprägte Universitäts- und Verwaltungsstadt Lüneburg liegt. Hier gibt es eine aktive und lebendige links-alternative Jugendszene, die auch immer wieder zu Gegenaktivitäten mobilisiert. Während im Stadtgebiet RechtsRock- und Nazi-Szene bislang wenig Fuß fassen konnten, haben sich in den umliegenden Dörfern rechte Kader eingelebt und „sind Teil der Dorfgemeinschaft“ (S.230). Hier sieht Kleffner kaum Unterschiede zur Situation im mecklenburgisch-vorpommerischen Umkreis von Anklam. Kleffner fordert daher verstärkte Bemühungen für eine nicht-rechte Jugendkultur. Eine Forderung, die sich sicherlich nicht nur an staatliche Stellen richtet, die verstärkt auch finanzielle Mittel für diese Aufgabe bereitstellen müssten. Es könnte auch eine Aufforderung an die Linke sein, auch mit kulturellen Mitteln verstärkt in den ländlichen Räumen Präsenz zu zeigen und dem RechtsRock eine emanzipatorische Alternative entgegenzustellen.

Gegenstrategien

Ausführlich werden in dem Buch RechtsRock auch Gegenstrategien vorgestellt. In jeweils eigenen Kapiteln werden verschiedene Projekte und Konzepte in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen aufgegriffen. Rolf Schulz betrachtet den Rechtsextremismus als Herausforderung für Schule und Unterricht, Claudia Hauck berichtet über Erfahrungen aus der außerschulischen politischen Bildung; ein ausführliches Interview mit dem HipHop-Projekt Brothers & Sisters Keepers ist ebenso enthalten wie die Auseinandersetzung um Konzepte und Netzwerke für eine Zivilgesellschaft. Auch über gewerkschaftliche Aktivitäten und Strategien gegen rechts wird berichtet. Wichtig ist auch, dass das Modell der

akzeptierenden Jugendarbeit mit Skins und Neonazis umfänglich diskutiert wird, ist dieses Instrument doch für viele kommunal Verantwortlichen immer noch die zentrale Antwort auf die Frage, was sie gegen deren - häufig auch tödlichen - Aktivitäten unternehmen.

Für die Herausgeber Dornbusch und Raabe ist dabei klar, dass es die eine, große Gegenstrategie nicht gibt, sondern das „viele kleine, verschiedene Wege“ (S.318) gegangen werden müssen und das es Patentrezepte nicht gibt. Wichtig ist den Herausgebern der Zusammenhang von Rechtsextremismus und den Diskursen der Mitte, in denen Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge als „Schamrotzer“ dargestellt werden, die immer mehr zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft führen und soziales Denken diskreditieren. Erfolgreich können Strategien gegen neonazistische Strukturen daher nur sein, wenn sie sich auch gegen den sich ausbreitenden latenten Rassismus und Antisemitismus im Zentrum der Gesellschaft wenden. Vor diesem Hintergrund, so die Herausgeber, wird auch klar, dass es sich beim RechtsRock nicht (nur) um eine problematische Jugendkultur handelt, sondern als gesellschaftliches Problem begriffen werden muß.

DSe, rock-links.de

Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hg): RechtsRock, Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, rat, Unrast Verlag, 24 €