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junge welt

Samy Deluxe
Samy Deluxe

Rap und Politik: Musik ohne Quotenbleichgesicht?

Interview von Birgit Gärtner mit Samy Deluxe.

Eine gekürzte Fassung dieses Interviews ist erschienen in junge welt, 08.12.2001



Frage: Wie bist Du zum Hipp-Hopp gekommen?

Samy Deluxe: Schon in der vierten oder fünften Klasse haben wir amerikanischen Rapp gehört, den gab es ja damals nur. Die Musik hat mir gefallen und die Art, wie Rapper sich anziehen. Erst mal also nur das Oberflächliche. ´91 habe ich in England gelebt und die Sprache gelernt. Da wurde mir klar, was Public Enemy und solche Leute sagen. Das war das erste Mal, dass so ein Song mich persönlich berührt hat. Die üblichen Texte, so: ‚Ich vermiss Dich' hier und ‚Ich möchte so gern mit Dir zusammen sein' da, das hat mir nichts bedeutet. Ich hab immer gern Popmusik gemocht, mag auch immer noch gerne Musik mit schönen Melodien. Aber was mich das erste Mal inhaltlich berührt hat, war Rapp. Da bin ich drauf hängen geblieben. Hab dann angefangen auf Englisch zu schreiben. Später gab es dann advanced chemistry und Torch und Fremd im eigenen Land, da hab ich dann angefangen, auf Deutsch zu rappen.
Mein erstes Projekt war mit DJ Dynamite von Dynamite Deluxe. Wir hießen no nonsense und hatten ´95 unseren ersten Auftritt. ´97 haben wir als Dynamite Deluxe unser erstes Demotape, dann unsere erste Platte und schließlich unsere erste CD herausgebracht. Alles bei Eimsbusch, einem kleinen Hamburger independent lable, unabhängig von großen Plattenfirmen. Aufgrund unserer ersten CD, die sich super verkauft hat, sind dann die großen lables aufmerksam geworden. Wir konnten uns die Plattenfirma aussuchen und haben uns für die entschieden, die uns die größte künstlerische Freiheit garantierte. Wo keiner uns in irgend einer Weise in die Musik reinredet, wo wir die Musik nur abgeben und die wird rausgebracht. Und natürlich auch die, bei der wir finanziell am Besten wegkamen. Das war dann die EMI. Nach der Auflösung von Dynamite Deluxe ist Samy Deluxe bei der EMI geblieben.

Frage: Du hast eben gesagt, die Inhalte waren Dir wichtig, ‚Ich lieb Dich' hier und ‚ich vermiss Dich da' hat Dir nicht gereicht. Um was geht es denn in Deinen Songs?

Samy Deluxe: Bei meinem ersten Album habe ich mich einfach dem Publikum vorgestellt, um zu sagen, wer ich bin. Einfach als der Rapper Samy Deluxe. Auf meinem zweiten Album bin schon mehr ins Detail gegangen und hab schon mehr von der Person Samy Deluxe oder Samy, eben einfach ein bisschen was von mir selbst, erzählt. Darüber, wie ich mich hier in Deutschland fühle. Als Mensch, so wie ich bin, erst mal mit meiner Hautfarbe. Aber auch mit meinem Stil, meinem Outfit. Weg mich auf und SOS sind Songs, die sich auf jeden Fall um Deutschland und die Jugend drehen. Dann hab ich auch einfach humorvolle Songs, wie beispielsweise Mach Schluss. Darin versuche ich Leuten, die immer wieder ankommen und sagen, ´Hey, meine Freundin, das ist so anstrengend`, klarzumachen, dass es Situationen gibt, in denen es am Besten ist, sich zu trennen. In dem Lied gibt es eine Strophe für Männer und eine für Frauen, wo ich verschiedene Beispiele dafür beschreibe. Das ist eher humorvoll gemeint. Dann hab ich Songs wie Hab gehört, wo ich alle möglichen Arten von Gerüchten über mich verarbeitet habe.

Frage: Spielt Rassismus dabei eine wesentliche Rolle?

Samy Deluxe: Rassismus ist kein zentrales Thema in meinen Stücken. Meine Songs sind einfach universell. Ich würde nie sagen, ich mach so´n Rapp oder so´n Rapp. Ich mache einfach Samy Deluxe. Letztendlich habe ich es genossen, ein paar Jahre Musik zu machen, ohne den mega Anspruch an den Inhalt. Einfach poetisch, ein schönes Gedicht, mit schönen Wortspielereien. Jetzt ist mir wichtig, den Leuten aus der Seele zu sprechen. Also, mir aus der Seele zu sprechen und damit auch ihnen. Wenn ich durch die Stadt gehe, dann brauch ich nicht mit 30 Leuten zu reden, um zu merken, wie die Stimmung bei den Menschen ist. Ich sehe die Leute und das hinterlässt einfach Eindrücke bei mir. Sowohl im Kopf, als auch irgendwie in der Seele. Das denke ich, ist einfach das, was ich den Leuten auch wieder geben kann. Wenn ich die Eindrücke krieg, dann kann ich sie auch zurückgeben.
Es gab eine Zeit im deutschen Rapp, die ich auf jeden Fall noch miterlebt habe, dafür stehen beispielsweise die Absolute Beginner und Freundeskreis, wo immer kritisiert werden musste. Deshalb haben sich die ganzen eben genannten Gruppen auch eine zeitlang davon wieder ein bisschen distanziert oder zumindest versucht, das in eine andere Form zu packen. Das Problem ist, die Kids sind so unpolitisch geworden. Sie Leute haben ihre Playstations und ihre Lieblingssendungen Gute Zeiten, schlechte Zeiten und Big Brother. Da ist es denen vollkommen egal, ob irgend ein Schwarzer mit Dreadlocks wie Mumia Abu-Jamal in irgend einem Gefängnis bald hingerichtet werden soll. Hier gibt es bestimmt auch genügend politische Gefangene, die zu Unrecht da sitzen. So etwas interessiert die Leute tatsächlich nicht. Deshalb habe ich keines dieser politischen Themen je zu meinem Aufhänger gemacht. Aber ich lasse alles immer einfließen. Weil ich denke, eine einzelne Zeile kann mehr bewirken, als wenn ich ein Statement über ein ganzes Lied plattwalze. Es ist mir natürlich wichtig, den Leuten zu sagen: ´Nur weil bei Dir immer der Kühlschrank voll ist, geht es nicht allen auf der Welt gut. Da sitzen Leute seit Jahren im Knast, nur weil sie mal ihre Meinung gesagt und für ihre Rechte gekämpft haben. Oder wurden schon getötet, als sie in der Black Panther Party aktiv waren. Alle möglichen Black Panthers - oder diejenigen, die damit assoziiert wurden - sind gesellschaftlich ausgelöscht worden. Das System hat die auf jeden Fall hart rangenommen.
Aber auch zu der Situation hier im Land gibt es viel zu sagen. Zu dem Zeitpunkt, als Brothers Keepers entstand, war Rassismus für uns alle ein wichtiges Thema. Jetzt mit dem Krieg ist es noch mal aktueller geworden. Sowohl fürs Brothers Keepers, als auch für meine Single. Wir sind eben nicht alle gleich. Wir können uns das immer einreden: ´Kein Mensch ist illegal und wir sind alle gleich`. Aber letztendlich sind wir anders. Ich bin anders als Du, wenn ich auf die Straße gehe. Die meisten Leute sehen uns anders. Das ist ´ne harte Einsicht, die uns auch deprimiert.

Frage: Der Song Adriano (Die letzte Warnung) von Brothers Keepers ist ja ein ziemlicher Renner gewesen. Denkst Du, dass der Inhalt bei den Jugendlichen auch wirklich ankommt? Dass sie das aufnehmen und dass darüber vielleicht ein Stück weit ein anderes Bewusstsein geschaffen werden kann?

Samy Deluxe: Auf der Ebene, wo wir das jetzt gerade machen, wird das definitiv nicht sofort was verändern. Aber es wird auf jeden Fall Diskussionen auslösen. Allein Brothers Keepers hat im Umfeld von uns Rappern schon viele Diskussionen ausgelöst. Manche Leute fühlen sich wirklich angegriffen, nur weil sich zehn Schwarze zusammentun. Weil sie weiß sind und nicht da mitmachen dürfen. Dass Leute wirklich so ein Problem damit haben, war schon mal eine harte Erkenntnis für mich. Also, wenn zehn Weiße ein Lied machen würden, würde niemand fragen: ´Wo ist der Quotenschwarze?` Aber so rum ist es denn schon wieder nicht erlaubt.
Außerdem glaube ich, die Kids kommen an verschiedenen Stellen mit unseren Inhalten in Berührung. Manche Lehrer werden vermutlich unsere Lieder im Unterricht interpretiere. So werden die Gedanken auf einer größeren Ebene an die Leute rangetragen. Die Jugendlichen von heute müssen nicht mehr auf irgendwelche kleinen Hipp-Hopp-Jams gehen, um zu wissen, dass es ein Movement gibt, was gegen diesen ganzen Scheiß ist., sondern sie werden schon mit unsere Inhalten konfrontiert, wenn sie MTV oder VIVA einschalten.
Leute wie wir hatten vorher keine Stimme. Es gibt zwar viele Schwarze in Deutschland, viele Ausländer und viele dies und viele das, aber es gibt nicht viele davon, die in einer Position sind, öffentlich reden zu können. Und wenn, dann nutzen sie ihre Position nicht. Roberto Blanko oder Mola von VIVA, das sind keine Leute, die großartig politisch engagiert sind.
Wir Brothers Keepers sind in der Öffentlichkeit wir selbst, aber wir sind gleichzeitig auch die Leute da draußen. Wir wurden oft gefragt: ´Warum habt ihr denn nicht noch einen Türken dabei und einen Italiener? Und vielleicht noch einen Deutschen?` Was soll zum Beispiel der Deutsche über Rassismus in Deutschland erzählen? Wenn er alleine ein Lied macht, dann ist es ja vielleicht okay mit seinen Erfahrungen. Aber wenn er neben zehn Schwarzen steht, da würde er sich selbst komisch fühlen. Und wenn es wieder so ein typisches Multi-Kulti-Ding wäre, wie es das schon tausend Mal, dann hätten es alle eh gleich abgetan. Und deshalb war es genau richtig, wie wir es gemacht haben. Wir haben für uns gesprochen, weil kein anderer für uns sprechen kann.

Frage: Hat dieses Land mehr zu bieten, als ein paar Millionen Arschgesichter mit ´ner Fresse voller Hämorrhoiden?

Samy Deluxe: Auf jeden Fall. Es hat mir im Moment die Situation zu bieten, in der ich bin. Nicht nur des Erfolges wegen, sondern deshalb, weil ich in Interviews jetzt oder als eine Person Ernst genommen werde, die was über die Lage heute hier in diesem Land weiß. Weil ich nicht mehr einfach irgend ein Rapper bin, der gefragt wird: ´Wie viele Joints kiffst Du?` Vorher war das scheinbar das wichtigste für die Leute zu wissen. Oder ob ich kiff, oder was ich über kiffen denke. Jetzt werde ich mehr über die aktuelle Situation gefragt. Das ist auf jeden Fall etwa, was mich motiviert.
Meine Frau kommt aus den USA und wir sind auch öfters in San Francisco. Da leben wir im Alltag auf jeden Fall viel unbeschwerter. Erst mal, weil das Wetter da besser ist, und die Leute besser drauf sind. Aber auch, weil es seit ein paar Jahrhunderten viel ´natürlicher` ist, dass Menschen mit verschiedenen Hautfarben zusammen leben. Das gibt es hier in Deutschland erst seit dem Krieg. Trotzdem würde mir in San Francisco im Moment fehlen, dass ich den Leuten was geben kann. Hier kann ich das. Das wird mir bewusst, wenn ich auf die Straße gehe. Viele Menschen, Deutsche und Ausländer, Schwarze, Türken, alle, kommen zu mir und sagen, das finden sie cool, was ich mache. Das ist eine super Situation.
Deutschland ist ein Land, das hart mit seiner Vergangenheit zu kämpfen hat. Trotzdem denke ich, kein einziger Deutscher muss sich für das schämen, was damals passiert ist. Aber jeder Deutsche muss die Verantwortung aus der deutschen Geschichte übernehmen. Jeder, der die Vergangenheit verdrängt, muss sich auf jeden Fall schämen. Letztendlich sollte unser Ziel sein, dass wir alle irgendwann gleichberechtigt zusammen leben. Das geht nicht, wenn jeder immer sagt: ´Nein, ich bin kein Rassist, aber mit dem kann ich nicht so gut.` Es gibt immer Gründe, Leute auszugrenzen. Für mich persönlich habe ich mit wachsendem Herumreisen in der Welt festgestellt, was mir wirklich power gibt, ist Einfluss von verschiedenen Leuten. Einerseits kann ich in Amerika einen businessman kennen lernen, der ein paar Millionen hat und mit einem fetten Wagen ´rumfährt und das inspiriert mich. Andererseits kann ich auch auf Jamaika einen Rastaman treffen, der gar nichts hat, und gleichzeitig irgendwie zehn Jobs macht, um über die Runden zu kommen. Der inspiriert mich genauso. Damit meine ich, das Beste wäre, einfach offen für alles zu sein.

Frage: Das Projekt Brothers Keepers dient dazu, Opfer rassistischer Angriffe, bzw. Angehörige der Opfer, finanziell zu unterstützen. Daneben trittst Du auf Benefiz-Konzerten au, kürzlich auf einem Antifa-Konzert in Hamburg. Ist das Deine art, dich politisch zu engagieren?

Samy Deluxe: Das muss Hand in Hand mit meiner Musik gehen. Ich kann ja nicht einerseits immer von dem Guten reden, und andererseits, wenn es ums Geben geht, dann sagen: ´Ich will 30.000 Mark für einen Auftritt`. Das Gute an meinem Job ist, ich muss nicht irgendwas machen, was mir keinen Spaß bringt, um das zu unterstützen. Beispielsweise 180 Flyer mit der Hand schreiben. Ich kann mich auf ´ne Bühne stellen, für die Leute rappen.

Birgit Gärtner


* Samy Deluxe, »Weck mich auf«, EMI; Brothers Keepers, »Adriano (Letzte Warnung)«, »Lightkultur«, WEA-records